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Ein Kapitän von 15 Jahren

Ein Kapitän von 15 Jahren

Titel: Ein Kapitän von 15 Jahren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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aber während der Nacht am Flußufer umherspähte, fand er ein wirkliches Boot, welches führerlos den Strom hinabschwamm. Ein besseres Fahrzeug hätte Dick Sand sich gar nicht wünschen können, und der Zufall hatte ihn hierbei wirklich ausnehmend begünstigt. Es gehörte jenes nämlich keineswegs zu den schmalen Barken, wie sich die Eingebornen solcher gewöhnlich bedienen. Die Länge der von Herkules entdeckten Pirogue überschritt wohl 9 Meter bei einer Breite von über 1 Meter; derlei Boote sieht man, von zahlreichen Ruderern getrieben, auf den großen Seen oft pfeilschnell dahinschießen.
    Mrs. Weldon und ihre Begleiter fanden also ausreichend Platz in jenem, und man brauchte es nur mittelst eines Bootsriemens einigermaßen zu steuern, um bequem mit der Strömung flußabwärts zu gelangen.
    Anfangs hatte Dick Sand, um möglichst ungesehen zu bleiben, die Absicht, nur in der Nacht zu reisen. Benutzte man von vierundzwanzig Stunden aber nur zwölf, so verdoppelte man offenbar die Dauer einer an und für sich nicht gefahrlosen Fahrt, welche ja ohnedies lange genug währen mußte. Glücklicher Weise kam Dick Sand auf den Gedanken, die Pirogue mit einem Dache aus langen, durch eine Stange gehaltenen Zweigen so zu bedecken, daß auch der Bootsriemen nicht sichtbar war. Man konnte das Ganze recht wohl für einen Haufen Aeste und Zweige halten, der mitten unter anderen schwimmenden Inseln dahinfloß. Die Herstellung dieses natürlichen Daches gelang auch so ausgezeichnet, daß sich selbst Vögel dadurch täuschen ließen, und oft setzten sich rothschnäblige Möven, schwarzgefiederte »Arrhingos« oder grüne oder weiße Papageien auf dasselbe, um einige Körner zu naschen.
    Außerdem bildete dieses Dach einen vorzüglichen Schutz gegen die Sonnengluth. Eine unter diesen Verhältnissen unternommene Reise versprach also, wenn auch nicht ohne Gefahr, doch mindestens ohne besondere Anstrengung zu verlaufen.
    Jedenfalls nahm die Fahrt eine ziemliche Zeit in Anspruch und mußte man sich täglich mit der nöthigen Nahrung zu versehen suchen. Gewährte der Fischfang diese nicht, so trat die Nothwendigkeit ein, am Flußufer zu jagen, und Dick Sand besaß als Feuerwaffe nur das eine Gewehr, welches Herkules nach dem Angriffe auf den Termitenbau mitgenommen hatte. Dafür bemühte er sich desto mehr, keinen Schuß vergeblich abzufeuern. Manchmal konnte er wohl auch aus der Bootshütte heraus durch die Wand von Zweigen schießen, wie der Hüttenjäger durch die Oeffnung seiner Hütte.
    Inzwischen floß die Pirogue den Fluß mit einer Geschwindigkeit hinab, welche Dick Sand auf nicht weniger als zwei Meilen in der Stunde schätzte. Er rechnete also darauf, zwischen zwei Sonnenaufgängen eine Entfernung von fünfzig Meilen zurückzulegen. Gerade diese schnelle Strömung verlangte auch eine erhöhte Aufmerksamkeit, um etwaigen Hindernissen, wie Felsen, Baumstämmen oder Untiefen, rechtzeitig auszuweichen. Dazu lag auch die Befürchtung nahe, daß diese Strömung später in Stromschnellen, vielleicht gar in die Form von Wasserfällen übergehen könnte, was bei afrikanischen Flüssen ja sehr häufig der Fall ist.
    Dick Sand, dem die Freude, Mrs. Weldon und ihr Kind wiederzusehen, die Kräfte schnell wiedergegeben hatte, nahm im Vordertheil der Pirogue Platz. Durch das lang herabhängende Gras und Laub beobachtete er den Fluß vor sich und bezeichnete Herkules, der den langen Bootsriemen führte, durch Worte oder durch Gesten, was er thun sollte, um das Fahrzeug auf dem richtigen Wege zu erhalten.
    In Gedanken vertieft, lag Mrs. Weldon in der Mitte auf einem Lager von Blättern. Vetter Benedict saß schweigend, manchmal die Stirn runzelnd, wenn er Herkules sah, dem er wegen seines Dazwischentretens bei der Jagd auf die Manticore noch immer zürnte, daneben und dachte an seine verlornen Sammlungen, an seine entomologischen Notizen, deren Werth die Bewohner von Kazonnde kaum zu schätzen wissen würden. Er streckte die langen Beine von sich, kreuzte die Arme auf der Brust und machte dann und wann instinctiv eine Bewegung, als wolle er die Brille, welche ja seiner Nase schon so lange fehlte, auf die hohe Stirn rücken. Der kleine Jack sah wohl ein, daß er hier keinen Lärmen verursachen dürfe; da es jedoch nicht verboten war, sich zu bewegen, so lief er mit seinem Freunde Dingo um die Wette von einem Ende des Bootes zum anderen.
    Während der ersten zwei Tage entnahmen Mrs. Weldon und ihre Begleiter alle die nöthige Nahrung aus den

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