Ein Kapitän von 15 Jahren
einen prüfenden Blick über die Umgebungen und auch in den Wald, der die beiden Ufer umsäumte, hineingeworfen, konnte aber nichts entdecken, was einen Verdacht erregt hätte.
Als er sich dem Amerikaner wieder anschloß, stellte er ihm plötzlich folgende Frage, welche diesem gewiß unerwartet kommen mußte:
»Herr Harris, fragte er, Sie haben in voriger Nacht vielleicht einen Portugiesen, Namens Negoro getroffen?
– Negoro? antwortete Harris mit einem Tone, wie Jemand, der gar nicht versteht, was man zu ihm spricht. Wer ist dieser Negoro?
– Es war der Schiffskoch, erwiderte Dick Sand, und er ist uns verschwunden.
– Vielleicht ertrunken?… sagte Harris.
– Nein, das nicht! erklärte Dick Sand. Gestern Abend war er noch bei uns; erst während der Nacht hat er uns verlassen und ist Allem Anscheine nach längs des Ufers hier flußaufwärts gegangen. Da Sie eben von dieser Seite her gekommen waren, fragte ich, ob Sie ihm vielleicht begegnet seien?
– Ich bin Niemand begegnet, versetzte der Amerikaner, und hat Ihr Koch sich allein in den Wald gewagt, so läuft er freilich Gefahr, sich darin zu verirren. Vielleicht treffen wir ihn unterwegs noch wieder?
– Ja… vielleicht!« antwortete Dick Sand.
Als die Beiden die Grotte erreicht hatten, stand das Frühstück bereit. Es bestand ebenso wie das gestrige Abendbrot aus verschiedenen Conserven nebst »Corned-beef« und Zwieback. Harris that ihm, als ein von Natur mit gutem Appetit ausgestatteter Mann, alle Ehre an.
»Ah, sehr schön, sagte er, ich sehe, daß wir unterwegs nicht vor Hunger umkommen werden, dasselbe möchte ich von dem armen Teufel von Portugiesen, dessen mir unser junger Freund erwähnte, freilich nicht behaupten.
– Dick Sand hat Ihnen also erzählt, daß wir Negoro seit gestern nicht wiedergesehen haben?
– Ja, Mistreß Weldon, erklärte ihr der Leichtmatrose gleich selbst. Ich wünschte zu erfahren, ob Herr Harris ihm nicht vielleicht begegnet sei.
– Was aber nicht der Fall war, fuhr Harris fort. Allein wir lassen den Deserteur also stecken, wo er will, und denken nun an den Aufbruch. – Wenn es Ihnen gefällig wäre, Mistreß Weldon.«
Jeder ergriff das für ihn bestimmte Packet. Mrs. Weldon nahm, von Herkules unterstützt, auf dem Pferde Platz, und der undankbare kleine Jack setzte sich, die Flinte am Bande tragend, mit gekreuzten Beinen darauf, ohne daran zu denken, Dem seinen Dank zu sagen, der ihm dieses treffliche Reitthier zur Verfügung stellte.
Jack, der vor seiner Mutter saß, erklärte ihr, daß er das »Pferd des Herrn« ganz gut zu führen verstehe.
Man gab ihm denn auch die Zügel in die Hand und der kleine Mann hielt sich unstreitig für den eigentlichen Anführer der Caravane.
Sechzehntes Capitel.
Unterwegs.
Wenn Dick Sand’s Befürchtungen bis jetzt auch nichts zu bestätigen schien, so betrat er, nachdem jene dreihundert Schritt am Ufer zurückgelegt waren, doch nicht ohne ein unangenehmes Vorgefühl den dichten Wald, den er mit seinen Gefährten volle zwölf Tage lang auf beschwerlichen Fußpfaden durchreisen sollte.
Mrs. Weldon dagegen, welche als Frau und Mutter doch leicht doppelt unruhig sein mußte, hatte das beste Zutrauen.
Zwei nicht unwichtige Gründe trugen zu ihrer Beruhigung bei: erstens, daß diese Gegend der Pampas weder rücksichtlich der Eingebornen, noch rücksichtlich reißender Thiere besonders zu fürchten war, und dann, daß man sich unter Harris’ Leitung, d.h. unter der eines so zuversichtlichen Führers, wie der Amerikaner es zu sein schien, nicht wohl verirren konnte.
Die während des Marsches so gut als möglich einzuhaltende Zugordnung war folgende:
An der Spitze der kleinen Gesellschaft marschirten Dick Sand und Harris, Beide bewaffnet, der Eine mit seiner langen Flinte, der Andere mit dem Remington-Gewehre.
Ihnen folgten Bat und Austin, Beide gleichmäßig mit Büchsen und Jagdmessern ausgestattet.
Hinter ihnen kamen Mrs. Weldon und der kleine Jack zu Pferde; dann Nan und Tom.
Den Schluß bildeten Acteon mit dem vierten Remington-Gewehr und Herkules mit einer Axt im Gürtel.
Dingo lief, wie Dick Sand bald bemerkte, unruhig hin und her, als spürte er einer Fährte nach. Sein ganzes Benehmen erschien, seit der Schiffbruch des »Pilgrim« ihn an’s Land geworfen, sichtbar verändert. Fast ohne Aufhören ließ er ein dumpfes, mehr klägliches als zorniges Knurren vernehmen. Es fiel das Allen auf, ohne daß es Jemand zu erklären wußte.
Dem Vetter Benedict hätte man
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