Ein Kater in geheimer Mission - Winston: [1]
Turnschuhe, deren Farbe ich erst jetzt so richtig bemerke. Sehr knallig. Das muss wohl Pink sein. Ich kenne diese Schuhe. Sie gehören Kira. Nun hebe ich mein linkes Vorderbein und betrachte meine Pfote. Fehlanzeige. Dort wo eben noch eine Pfote war, befindet sich jetzt eine Hand. Heilige Ölsardine! Ich habe mich in einen Menschen verwandelt! Und zwar nicht in irgendeinen, sondern in Kira!
»Winston, was ist hier los? Was ist passiert?«
Kira. Eindeutig Kiras Stimme. Aber wo kommt die her? Ich bin doch Kira und ich habe nichts gesagt. Ich bin nämlich immer noch sprachlos.
»He, Winston – kannst du mich hören?«
Da das einzige Lebewesen in meiner Nähe die Katze zu meinen Füßen ist, muss sie es wohl sein, die mit mir spricht. Also gewissermaßen spricht Winston mit mir. Winston spricht mit Winston. Was für ein unglaublicher Schlamassel! Mein Schädel brummt noch lauter. Ich sollte wohl besser antworten, aber die Vorstellung, nun zu sprechen, macht mir Angst. Nur Mut!, versuche ich mich selbst zu beruhigen und räuspere mich.
»Äh, ich, äh – ich bin hier oben.«
Die Katze guckt erstaunt zu mir hoch.
»Bist du das, Winston?«, höre ich sie sagen.
Tatsächlich. Ich kann sie eindeutig hören und es klingt wie Kiras Stimme. Allerdings hat die Katze weder miaut noch etwas gesagt. Offenbar höre ich ihre Stimme in meinem Kopf! Das ist echt zu viel für mich, zumal wenn ich auf zwei Beinen stehen muss. Ich setze mich auf den Boden.
»Hast du etwas gesagt?«, will ich dann von der Katze, die wie Winston aussieht, wissen. »Also, ich meine, so richtig etwas gesagt?«
Die Katze rückt näher an mich heran und mustert mich.
»Keine Ahnung, ich bin so durcheinander. Rede ich denn? Es fühlt sich nicht so an. Ich … ich … ich glaube, ich denke eher.«
Genau. Das ist es. Ich höre Kiras Stimme in meinem Kopf, weil ich ihre Gedanken höre. Um Himmels willen! Großer Katzengott, wenn es dich gibt: Was hast du uns denn da eingebrockt und vor allem: warum?!
Ob das auch umgekehrt funktioniert? Ich schaue die Katze an und denke: Kannst du mich jetzt auch hören?
»Ja, so kann ich dich auch hören«, kommt die Antwort prompt. Faszinierend. Ich kann mich mit der Katze, die wie Winston aussieht und wie Kira klingt, in Gedanken unterhalten. Gehen wir der Sache also mal auf den Grund.
»Wer bist du?«, will ich von der Katze wissen, obwohl ich mir die Antwort eigentlich schon denken kann.
»Ich glaube, ich bin Kira. Allerdings habe ich gerade festgestellt, dass ich nicht mehr aussehe wie Kira. Sondern wie Winston.«
»Hm, geht mir genauso. Na ja, eigentlich umgekehrt: Also, ich bin Winston, sehe aber aus wie Kira.«
»Das ist ja verrückt! Haben wir etwa getauscht?«
Ich nicke.
»Sieht ganz so aus.«
»Warum bloß?«
»Keine Ahnung. Aber es hat bestimmt etwas mit diesem grellen Licht zu tun und dem Schlag, der uns getroffen hat«, mutmaße ich.
»Du meinst den Blitz?«, will Kira, die jetzt im alten Winston steckt, von mir wissen.
»War das ein Blitz?«
»Ich glaub schon. Wir sind doch in ein Gewitter geraten. Das grelle Licht, der heftige Schlag: Ich würde sagen, wir sind vom Blitz getroffen worden. Es ist ein Wunder, dass wir das überlebt haben.«
Vermutlich hat sie recht. Es ist ein Wunder. Allerdings habe ich es leider nicht in meinem alten Körper überlebt. Das begreife ich immer noch nicht. Wie ist das nur möglich?
»Vielleicht hat es ja mit meinem Wunsch zu tun«, denkt Kira nach.
»Hä? Welcher Wunsch?«
»Na ja, kurz bevor der Blitz eingeschlagen hat, habe ich mir gewünscht, jemand anders zu sein.«
»Stimmt«, erinnere ich mich. »Das hast du auch gesagt. Und interessanterweise habe ich kurz vorher genau das Gleiche gedacht.«
Wir seufzen. Und zwar gleichzeitig.
»Tja«, stellt Kira fest, »dann ist uns wohl ein Wunsch erfüllt worden und wir haben miteinander getauscht. Jetzt bin ich du und du bist ich. Kira ist Winston und Winston ist Kira. Oh Mann, was für ein Chaos!«
Da hat sie ganz recht. Bei meinem Schnurrbart, den ich nun nicht mehr habe: so ein verfluchter Mist!
Als wir wieder in der Hochallee ankommen, bin ich schweißgebadet. Ich hätte nie gedacht, dass das Laufen auf zwei Beinen so anstrengend ist. Sobald ich nicht genau schaue, wo ich hinwill, beginne ich schon zu schlingern – ich kann mit meiner neuen Körpergröße noch nichts anfangen. Zum Glück sind weder Anna noch Werner da, als wir heimkehren. Wir bieten bestimmt einen sehr merkwürdigen Anblick, und das
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