Ein Kater in geheimer Mission - Winston: [1]
Letzte, was ich jetzt brauche, sind neugierige Fragen von Menschen, mit denen ich dann reden müsste.
Auch Kira ist mit ihrer neuen Gestalt alles andere als zufrieden. In der Wohnung angekommen, lässt sie sich in mein Körbchen fallen und streckt alle viere von sich.
»Winston, dieser Tausch ist eine Katastrophe! Wir müssen unbedingt wieder zurücktauschen! So schnell wie möglich – ehrlich! Ich kann doch nicht den Rest meines Lebens eine Katze bleiben!«
»Tja, ich wäre auch gern so schnell wie möglich wieder ein Vierbeiner«, stimme ich ihr zu. »Nur – wie wollen wir das machen? Ich habe das ungute Gefühl, dass das nicht so einfach wird.«
»Vielleicht müssen wir noch mal vom Blitz getroffen werden und uns dann wünschen, dass alles wieder beim Alten ist?«, schlägt Kira vor. Ich schüttle den Kopf.
»Uns noch mal vom Blitz treffen lassen? Geht denn das so einfach? Und überhaupt: Wir wissen doch gar nicht, wie das wirklich passiert ist. Ob es an dem Blitzschlag lag – keine Ahnung. Oder hast du schon mal irgendwo von Leuten gehört, die vom Blitz getroffen wurden und dann jemand anders sind?«
Kira schlägt mit dem Schwanz hin und her und maunzt unglücklich.
»Nein, habe ich nicht. Und wenn mir vorher jemand erzählt hätte, dass so etwas möglich ist, hätte ich ihn für verrückt erklärt.«
»Na siehst du. Was uns passiert ist, ist also offenbar nicht normal. Und ich glaube, bevor wir nicht herausgefunden haben, warum wir nun im falschen Körper stecken, haben wir keine Chance, wieder rauszukommen.«
Kira gibt seltsame Schnaufgeräusche von sich.
»He, alles in Ordnung?«, will ich wissen.
»Nein, überhaupt nicht! Ich würde am liebsten heulen – und selbst das kann ich als Katze nicht! Es ist einfach furchtbar!«
Ich fürchte, Kira hat recht. Es ist wirklich furchtbar. Und es wird bestimmt noch viel furchtbarer, wenn ich mich das erste Mal mit Anna unterhalten muss und sie denkt, dass ich Kira bin. Was sage ich dann bloß zu ihr? Was sagen Zwölfjährige so zu ihren Müttern? Okay, ich habe die beiden jetzt ein paarmal zusammen erlebt – als Experte würde ich mich deswegen noch lange nicht bezeichnen. Einen Streit, wie ihn die beiden heute Mittag hatten, stehe ich mit Sicherheit noch nicht auf zwei Beinen durch. Jedenfalls nicht, ohne zwischendurch umzufallen. Oje! Insgeheim hoffe ich sehr darauf, morgen früh wach zu werden und festzustellen, dass alles nur ein böser Traum war.
Mein Leben als Mädchen.
Oder: Aller Anfang ist schwer …
»Guten Morgen, mein Schatz! Draußen ist zwar scheußliches Wetter, aber ich fürchte, du musst trotzdem aufstehen! Dafür habe ich dir etwas besonders Leckeres zum Frühstück gemacht.«
Nein. Es war leider kein böser Traum. Vor mir im Halbdunkeln steht Anna und rüttelt sanft an meiner Bettdecke. Ich murmle etwas, das hoffentlich wie »Guten Morgen, Mama« klingt, setze mich auf und reibe mir die Augen. Da haben wir den Heringssalat! Ich bin immer noch ein Mensch!
Anna setzt sich auf die Bettkante neben mich.
»Na, wollen wir uns nicht wieder vertragen?«
Ich nicke stumm. Vertragen ist eine gute Idee. Vor allem für jemanden wie mich, der sich noch nie mit seiner Mutter gestritten hat.
»Dann also wieder Frieden, okay?« Anna zieht mich zu sich und drückt mir einen Kuss auf die Wange – ein wirklich komisches Gefühl, ihre Lippen direkt auf meiner Haut zu spüren. Zum einen hat mich noch nie ein Mensch geküsst und zum anderen trage ich normalerweise schließlich ein Fell!
Anna steht auf und geht aus dem Zimmer. Als sie aus der Tür ist, kommt Kira hineingeschlichen.
»Morgen, Winston. Ich hatte so gehofft, dass alles nur ein böser Traum war. Aber wie es aussieht, bin ich tatsächlich noch ein Kater.« Sie springt zu mir aufs Bett und legt ihren Kopf auf meinen Schoß.
»Tja, geht mir genauso. Meine Begeisterung, heute noch ein Mädchen zu sein, hält sich auch sehr in Grenzen.«
Kira schnurrt und in Gedanken höre ich sie kichern.
»Was ist denn daran so lustig?«, will ich von ihr wissen.
»Och, nichts.«
»Glaub ich dir nicht. Also was?«
»Na ja, du redest wie ein Erwachsener. So geschwollen. Hast du das als Kater auch schon gemacht?«
»Äh, weiß nicht. Ich habe als Kater ja gar nicht mit Menschen geredet. Aber – ja, was du jetzt hörst, ist eben die Art und Weise, wie ich sonst denke.«
Kira dreht sich auf den Rücken und mustert mich.
»Klingt auf alle Fälle ziemlich uncool. Also, pass bloß auf, dass du in der
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