Ein kleines Stück vom Himmel nur
gewann jedes einzelne davon. Er stand auf dem Siegerpodest, mit einer Medaille um den Hals, und Mom und Dad platzten fast vor Stolz. Als ich dann an der Reihe war, musste ich Sackhüpfen. Ich war so wild entschlossen, genau wie John zu gewinnen. Ich erinnere mich noch, wie ich in einer Reihe mit den anderen gleichaltrigen Jungen stand, jeden Muskel angespannt, ganz heià vor lauter Konzentration, und auf den Ton der Trillerpfeife wartete. Als Miss Chalmer hineinblies, warf ich mich mit aller Kraft nach vorn, verfing mich aber mit dem Fuà im Sack und schlug lang hin, mitten aufs Gesicht. Meine Hände und Knie brannten, und meine Nase hatte einen solchen Stoà abbekommen, dass mir die Tränen in die Augen schossen. Aber nichtsdestotrotz konnte ich durch den Schleier genau sehen, wie die anderen Jungen davonhüpften, immer weiter weg, den Sportplatz entlang. Und die Tränen in meinen Augen kamen nicht bloà von der schmerzenden Nase, sondern es waren Tränen der Demütigung und Enttäuschung, die natürlich alles nur noch schlimmer machten. John war ein Goldjunge, ein Held. Ich dagegen war eine Heulsuse, die noch nicht mal bei einem dämlichen Sackhüpfen mithalten, geschweige denn gewinnen konnte.
Dieses lang zurückliegende Sportfest ist wohl mehr oder weniger ein Sinnbild für unser ganzes Leben. Nie ist es mir gelungen, auch nur entfernt an Johns Leistungen heranzukommen, geschweige denn, ihn zu übertreffen. Er war Kapitän der Schwimmmannschaft; er bestand die Führerscheinprüfung gleich beim ersten Mal â im Gegensatz zu mir, der die Prüfung verbockte und sie noch einmal wiederholen musste; er brauchte zehn Flugstunden weniger für den Pilotenschein. Ich könnte noch stundenlang weitererzählen, aber das tue ich nicht â für den ersten Eindruck reicht es bereits. Und als ob all das noch nicht schlimm genug wäre, merkte ich auch immer deutlich, dass er Moms Lieblingskind war. Kaum verwunderlich eigentlich, obwohl es trotzdem schmerzte â vor allem, als unsere Schwester Ellen mir den Grund dafür erzählte. Meine Art damit klarzukommen bestand darin, mich ruppig und rebellisch aufzuführen, und das machte vermutlich alles noch schlimmer. Und das Dämlichste ist, dass ich mich heute noch genauso aufführe.
Man könnte meinen, dass jetzt, wo John tot ist, der Druck geringer geworden sei, doch in Wahrheit ist es noch tausendmal schlimmer. Mom hat John praktisch in den Heiligenstatus erhoben. Sollte er jemals einen Fehler begangen haben â jetzt wird er es ganz bestimmt nicht mehr tun. Im Tod ist er sogar noch strahlender, als er es zu Lebzeiten war. Er verfolgt mich immer noch.
Also, was kann ich verdammt noch mal tun, um zahlungsfähig zu bleiben? Eine Lösung gäbe es; vor ein paar Wochen hat mir jemand einen Vorschlag gemacht, dem ich aber bisher widerstanden habe. Eine Sache, die ebenso gesetzwidrig wie unmoralisch ist. Sollte ich dabei erwischt werden, würde ich bestimmt für ziemlich lange Zeit hinter Gitter wandern. Doch inzwischen habe ich das Gefühl, dass mir kaum eine andere Wahl bleibt. Ich zünde mir noch eine Zigarette an, lehne mich an den Zaun und lasse mir die Sache noch mal durch den Kopf gehen.
Ich habe nie im Geringsten daran gezweifelt, dass Dexter Connelly ein Gauner ist. Etwas ausgesprochen Zwielichtiges umgibt die Geschäfte, die ihm seine Luxusvilla in einer der exklusivsten Gegenden am Rande von Varna eingebracht haben. Das riesige Grundstück wird durch elektronische Tore und ein paar missmutige Rottweiler gesichert. Connelly verfügt über etliche Luxuskarossen, besucht regelmäÃig Golfplätze und Casinos und umgibt sich mit kostspieligen Frauen, die schon mit Mitte zwanzig die ersten Brust- OPs und Botoxspritzen hinter sich haben. Er mag sich den Anschein geben, ein erfolgreicher Geschäftsmann zu sein, aber ich habe immer schon vermutet, dass er seine Finger in einer ganzen Reihe von schmutzigen Machenschaften hat. Und inzwischen habe ich sogar Gewissheit.
Von Zeit zu Zeit chartert Dexter Connelly sich ein Flugzeug bei Varna Aviation und lässt sich zu Geschäftsterminen oder für ein Wochenende an die Spieltische von Las Vegas fliegen. Er mietet dann immer die Beech Baron â mein ganzer Stolz â, nicht etwa eine der Cessnas, die wir sonst für Flugstunden und Sightseeing-Touren benutzen. Meistens fliege ich ihn selbst. Das letzte
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