Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein kleines Stück vom Himmel nur

Ein kleines Stück vom Himmel nur

Titel: Ein kleines Stück vom Himmel nur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amelia Carr
Vom Netzwerk:
Verlängerung meiner selbst war.
    Sie war schon immer da, diese Seelenverwandtschaft, von dem Augenblick an, in dem ich dich zum ersten Mal sah, ein kleines Bündel mit einem Büschel dünner Haare, die fast schwarz waren, und einem geröteten Gesicht. Du schliefst in einem Babybett neben dem Bett deiner Mutter, und ich beugte mich über dich. Es juckte mir in den Fingern, dich anzufassen, dich auf den Arm zu nehmen, dich zu knuddeln und den süßen Duft nach Babypuder und Milch einzuatmen, der dich wie eine Aura umgab.
    Â»Weck sie bloß nicht auf, Mama!«, warnte Ellen mich. Obwohl ihre Stimme ein bisschen erschöpft klang, schaffte sie es immer noch, in diesem schneidenden, rechthaberischen Tonfall zu sprechen, der mir so auf die Nerven geht. Doch in diesem Moment hast du angefangen zu wimmern und du hast dich bewegt und diesen dünnen, jämmerlichen Schrei eines Neugeborenen ausgestoßen, der einem so ans Herz geht, und Ellen seufzte: »Na, dann los, hol sie raus, wenn du willst! Jetzt ist sie sowieso schon wach.«
    Ich hielt dich auf dem Arm, du warst dick eingepackt und gewickelt, und du schautest mich mit weit aufgerissenen Augen an, so leuchtend blau wie das Meer. Du weintest nicht mehr, und ein Gefühl der Liebe erfüllte mich, so dass mir ganz weich in den Knien wurde. Ich habe nie besonders viel für Babys übrig gehabt – ich habe immer gescherzt, dass ich mit einem jungen Hund wahrscheinlich mehr anfangen könnte –, und ein besonders mütterlicher Typ war ich auch nicht. Als meine eigenen Kinder Babys waren, habe ich mich unbeholfener gefühlt, als ich es zugegeben hätte; ich war froh, als sie älter und damit weniger hilflos und anstrengend wurden; als sie sich endlich zu eigenen kleinen Persönlichkeiten entwickelten. Bei der Geburt deiner älteren Schwester Belinda war ich viel zu sehr von der Sorge um Ellen eingenommen, die eine Hämorrhagie hinter sich hatte und noch immer geschwächt und weiß wie eine Wand war, um mich wirklich über das Würmchen zu freuen, das sie fast das Leben gekostet hätte. Doch bei dir verspürte ich sofort Nähe und Harmonie. Ich war so von Liebe und Zärtlichkeit erfüllt, dass es mir fast den Atem nahm.
    Leider hatte ich nicht das Glück, dauerhaft in deiner Nähe zu sein, während du älter wurdest – wir waren nun mal durch den Atlantik getrennt. Doch immer, wenn wir einander besuchten, war die Bindung zwischen uns sofort wieder da, so stark, als seien wir nie getrennt gewesen. Und ich konnte sehen, wie du Eigenheiten und Charakterzüge entwickeltest, die ich als meine eigenen wiedererkannte: die Art, wie dein Mund sich zu einer entschlossenen Linie verzog, wenn du etwas wolltest; deine Ungeduld mit dir selbst, wenn dir etwas nicht gleich gelang; dein Drang, immer aktiv zu sein. Belinda konnte stundenlang ruhig dasitzen, zeichnen, lesen oder puzzeln. Du wolltest lieber draußen herumtoben, auf deinen Rollschuhen die Straße entlangflitzen, am liebsten mit einer ganzen Horde Jungs. Und wenn das Wetter schlecht war, wurde dein Gesicht genauso düster wie die Regenwolken, die dich nach drinnen verbannt hatten, und deine Stimmung war so gereizt, dass es die Geduld eines Heiligen auf die Probe gestellt hätte.
    Ich konnte das nur zu gut verstehen. Auch ich war als Vagabundin geboren und fühlte mich in geschlossenen Räumen beengt und gelangweilt.
    Dann war da noch dein heftiger Drang nach Unabhängigkeit.
    Einmal, als ich euch besuchen kam, bist du verschwunden. Du kamst aus der Schule zurück, warst ungewöhnlich still und verkrümeltest dich in den Garten. Als deine Mom dich zum Tee rufen wollte, warst du weg. Ellen geriet in Panik und war überzeugt, sie würde dich nie wiedersehen.
    Â»Da war so ein komischer Mann, der heute auf der Straße geparkt hat. Stell dir vor, wenn …«
    Ich versuchte mein Bestes, sie zu beruhigen. »Ellen, kein Mensch schleicht sich in euren Garten und schnappt sich eine Neunjährige. Wahrscheinlich ist sie irgendwo draußen auf den Feldern.«
    Â»Wo sie doch weiß, dass der Tee fertig ist?«
    Â»Mach dir keine Sorgen! Ich finde sie schon.«
    Ich ging bis zum Ende des Gartens und kletterte über die niedrige Steinmauer auf die dahinterliegende Weide. Ehrlich gesagt machte ich mir mehr Sorgen wegen der Kuhherde, die dort graste, als um dich. Kühe in größeren Ansammlungen sind

Weitere Kostenlose Bücher