Ein Knödel zu viel: Kriminalroman (German Edition)
I.
»Für wann braucht’s ihr den Tisch? – Drei Personen? – Aha. – Gut. Dann pfüat di!« Martin Mader legte auf und notierte die Reservierung in die große Kladde, die er aus dem schmalen Fach unter dem Telefon herausgezogen und auf den polierten Tresen gelegt hatte.
Obwohl das Jahr noch lange nicht rum war, hatte das dunkel eingebundene Buch schon etliche Eselsohren. Der Betrieb lief gut. Seit der Rottachsee frei zugänglich war, kamen jedes Jahr mehr Touristen. Geschäftig blätterte der Wirt durch die Seiten, dann legte er die Kladde an ihren Platz zurück.
Während er mit flinken Schritten durch die Pendeltür und über den Flur in Richtung Küche verschwand, blickte Franz Josef Strauß wie immer staatstragend aus seinem Bilderrahmen in die kleine, zu dieser Tageszeit noch leere Gaststube an der Moosbacher Dorfstraße.
Der CSU -Politiker befand sich dabei in durchaus illustrer Gesellschaft, denn aus dem Herrgottswinkel schräg gegenüber schaute als Lithografie der berühmteste Bayernkönig, allem Weltlichen entrückt, ins Irgendwo. Und über der Eckbank stand Martin Mader höchstpersönlich in einer Schwarz-Weiß-Aufnahme lässig in einer dem Betrachter unbekannten Gasse auf dem Trottoir, einen weißen Schäferhund liegend neben sich. Das Gesicht des Wirtes beschattete ein Strohhut. Ob er auf jemanden wartete? Auf jeden Fall blickte auch der beleibte Wirt ins Irgendwo, aber deutlich entspannter als die erwähnte Prominenz.
»Für was soll ich mich aufregen? Des bringt doch nix«, war seine Devise. Und er tat gut daran, bei dieser Einstellung zu bleiben. Vor allem in diesen Tagen.
Noch lag Ruhe über dem kleinen Dorf im Oberallgäu. Aber die Luft färbte sich schon gelb. Es war still, kein Wind ging. Die Atmosphäre würde sich krachend entladen, noch bevor der Regen einsetzte.
Auf seinem Weg zurück in die Gaststube blieb Martin Mader einen Augenblick an der Eingangstür stehen und sah hinaus. Der Himmel über der schmalen Dorfstraße zog sich zu. Da kommt was, dachte er. Er würde die Sonnenschirme auf der Terrasse vorsorglich zusammenfalten.
II.
»Heute Nacht?«
»Heute Nacht.«
»Ich weiß nicht.«
»Schluss jetzt, die Gelegenheit ist günstig.«
»Es muss gut gehen.«
»Das wird’s auch. Wirst schon sehen.«
»Und wenn uns jemand sieht?«
»Keine Sorge. Es dauert ja nicht lange.«
III.
Krachend fuhr der Blitz in den Dachstuhl. Holz splitterte unter der Wucht des Einschlags. Der Widerschein des nächtlichen Spektakels spiegelte sich grell in seinen aufgerissenen Augen. Sein Blick war ungläubig, als hätte er viel zu spät den Sinn dieses Treffens erkannt.
Er war heuer schon die zweite Rottach-Leiche, wenn man die ersoffene Katze mitzählte.
IV.
Moosbach ist ein guter Ort zum Leben. Zum Sterben auch, dachte er. Wie lange bin ich schon nicht mehr hier gewesen?
Vom Kirchhof aus ging sein Blick ungehindert über das sanfte Ufer und den ruhigen Spiegel des Rottachsees bis hinüber nach Petersthal. Weiter rechts ragte das schroffe Profil des Grünten auf. Zu seinen Füßen legten sich die weiten Wiesen wie frisch aufgeschüttelte Plumeaus über das Allgäuer Nagelfluhgestein.
Kriminalhauptkommissar Robert Mayr nahm mit hörbar tiefen Atemzügen den Duft frisch geschnittenen Grases in sich auf. So roch nur seine Heimat. Viel zu lange war er schon nicht mehr hier oben gewesen. Er hatte fast vergessen, wie ruhig es in Moosbach sein konnte. Im Vergleich war Kempten der reinste Hexenkessel.
Der Ermittler der Kemptener Polizei blinzelte in die Sonne. Er hatte an diesem Morgen dienstlich in dem kleinen Ortsteil oberhalb von Sulzberg zu tun. Die Freiwillige Feuerwehr Moosbach hatte bei Löscharbeiten nach einem Blitzeinschlag einen Toten gefunden. »Ein Preuße«, wie der Einheitsführer diensteifrig über Funk gemeldet hatte. Ernst Büschgens, Unternehmer aus Mönchengladbach.
Robert Mayr war von den Kollegen der Kriminalwache aus dem Schlaf geholt worden. Ohne Martina zu wecken, war er aus dem Bett geschlüpft, hatte sich aus der Warmhaltekanne den Rest lauwarmen Kaffees vom Vorabend eingeschenkt und war nach Moosbach gefahren. Auf der Fahrt den Berg hinauf hatte er die Gänge seines alten Dienstwagens krachend eingeworfen und dabei gedacht: Mönchengladbach. So, so. Borussia. So, so. Die Fohlenelf: lange her und auch schon mal abgestiegen. Ein Gladbacher Unternehmer in Moosbach also. Hatte er schon gehört: Seit ein paar Jahren kamen mehr und mehr Preußen ins Allgäu. Seltsamer
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