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Ein Koffer voller Tiere

Ein Koffer voller Tiere

Titel: Ein Koffer voller Tiere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerald Malcolm Durrell
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ungleichmäßig nach oben geschleudert worden sind. Dieser Entstehung verdanken sie ihre seltsamen, erstaunlich geometrischen Formen. Da gibt es fehlerlose gleichschenklige Dreiecke, spitze Winkel, kegel- und würfelförmige Hügel; die Formen sind so mannigfaltig, daß es keinen Menschen wundern würde, wenn er die schwierigsten und unverständlichsten Lehrsätze des Pythagoras darunter fände.
    Der Hügel, den wir jetzt erklommen, war ein fast regelmäßiger Kegel. Nach einer Strecke Wegs meinte man, er sei viel steiler, als er zuerst ausgesehen hatte, und nach einer Viertelstunde glaubte man, das Gelände stiege im Verhältnis eins zu eins. Elias erklomm den Hügel, als ginge er auf einer ebenen Schotterstraße; geschickt duckte und wand er sich zwischen den Zweigen und dem überhängenden Unterholz hindurch. Bob und ich folgten ihm schwitzend und keuchend, manchmal auf allen Vieren, um mit ihm Schritt zu halten. Gerade unterhalb des Gipfels flachte sich die Böschung zu unserer Erleichterung ab. Durch das Gewirr der Bäume konnten wir vor uns ein 15 Meter hohes Granitkliff erkennen, das mit Farnen und Begonien bewachsen war. An seinem Fuß lag verstreut eine Masse großer, vom Wasser geglätteter Felsblöcke.
    »Dies sein Platz, Masa«, sagte Elias und plazierte sein fettes Hinterteil auf einem Fels.
    »Endlich«, sagten Bob und ich wie aus einem Munde. Wir setzten uns ebenfalls hin, um wieder zu Atem zu kommen.
    Als wir uns ausgeruht hatten, führte uns Elias durch den Irrgarten von Felsblöcken bis zu einer Stelle, wo sich das Kliff über die darunterliegenden Felsen vorwölbte. Wir gingen eine Weile unter diesem Überhang dahin, bis Elias plötzlich anhielt.
    »Das ist sein Haus, Masa«, sagte er. Dabei grinste er voller Stolz und zeigte seine schönen Zähne. Er wies in die Höhe zu der Felswand, und da sah ich, etwa drei Meter über uns, das Nest eines Picathartes.
    Auf den ersten Blick glich es einem großen Schwalbennest aus rötlichbraunem Schlamm und winzigen Wurzeln. In den Lehm der unteren Seite waren längere Wurzeln und Grashalme hineingewoben, die wie ein Bart herunterhingen. Es war schwer zu beurteilen, ob dies von unsauberer Arbeit des Vogels herrührte oder den Zweck der Tarnung hatte. Selbstverständlich verbarg der herunterhängende Bart das Nest, das an der verwitterten Felswand klebte und einem Büschel aus Schlamm und Gras glich. Das Nest war so groß wie ein Fußball und durch den Felsüberhang gegen Regen geschützt. Zuerst mußten wir einmal nachsehen, ob das Nest bewohnt war. Zu unserem Glück wuchs gegenüber ein großer, schlanker Baum, auf den wir kletterten und in das Innere des Nestes spähten. Leider stand es leer, jedoch für die Ablage von Eiern bereit; denn es war mit feinen Wurzeln ausgelegt, die der Vogel zu einer federnden Matte verwoben hatte. In einiger Entfernung fanden wir noch zwei Nester, von denen das eine dem vorigen glich und das andere erst halbfertig war. Junge oder Eier entdeckten wir nicht.
    »Wenn wir uns verstecken kurze Zeit, dieser Vogel kommen«, meinte Elias.
    »Bist du sicher?« fragte ich zweifelnd.
    »Ja, Sah, wirklich, Sah.«
    »Gut, wir warten kurze Zeit.«
    Elias führte uns zu einer Höhle, die aus dem Kliff herausgewaschen und deren Öffnung von einem Felsblock verschlossen war. Hinter diesen natürlichen Vorhang kauerten wir uns. Wir konnten die Front der Klippe mit den Nestern deutlich erkennen, während uns selbst die Felsen vollständig verdeckten. Wir warteten.
    Die Sonne stand schon tief am Himmel, und es wurde recht dunkel im Walde. Durch das Geflecht von Blättern und Lianen über uns schimmerte der Himmel grün mit goldenen Flecken. Man konnte meinen, man sähe einen riesigen Drachen durch die Bäume. Die typischen Abendgeräusche des Waldes waren jetzt zu hören. In der Ferne vernahm man das anhaltende Lärmen eines Trupps Mona-Affen, die auf dem Weg zum Nachtlager von einem Baum zum anderen sprangen; es klang wie die schwere Brandung an felsiger Küste, durch gelegentliche »Oink-oink«-Schreie der Affen unterbrochen. Sie kamen irgendwo am Fuß des Hügels unter uns vorbei, doch konnten wir sie durch das dichte Buschwerk nicht sehen. Den Affen folgten wie üblich die Hornvögel. Wir hörten ihre ungewöhnlich lauten Flugbewegungen, wenn sie von Baum zu Baum flogen. Zwei Vögel des Schwarms warfen sich in die Zweige über uns. Wir erkannten ihre Silhouette gegen den grünen Himmel. Sie waren in eine lange und komplizierte Unterhaltung

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