Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Koffer voller Tiere

Ein Koffer voller Tiere

Titel: Ein Koffer voller Tiere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerald Malcolm Durrell
Vom Netzwerk:
hatte einen unheimlichen Umfang. An seinem Fuß klaffte ein riesiger Spalt von der Größe einer Kirchentür, so daß vier Mann bequem im dunklen Innern des Stammes stehen konnte. Als Antwort auf die Schläge mit der Machete kamen undeutliche, schlurrende Geräusche, und ein Schauer von Staub und morschem Holz fiel auf unsere nach oben gerichteten Gesichter und in unsere Augen. Der Baum war offensichtlich bewohnt. Das schwierigste war jetzt, einen Jäger in die Spitze des Baumes zu bringen, damit er die Löcher mit Netzen bedecken konnte, denn der Stamm ragte fast 50 Meter in den Himmel und war glatt wie ein Spazierstock. Schließlich knüpften wir unsere drei Strickleitern aneinander und banden eine dünne, aber starke Schnur ans Ende. Wir beschwerten die Schnur mit einem Stein und schleuderten sie in den Blätterhimmel, bis uns die Arme schmerzten, als sie endlich über einen Ast fiel, so daß wir die Leitern hochziehen und absichern konnten. Als alle Löcher im Baum mit Netzen bedeckt waren, entzündeten wir unser Feuer und harrten der Dinge, die da kommen sollten.
    Im allgemeinen muß man etwa fünf Minuten warten, bis der Rauch in alle Fugen gedrungen ist und bis sich etwas rührt. Diesmal dauerte es kaum einen Augenblick. Zuerst kamen zwei seekrank aussehende Wesen zum Vorschein, die man Geißelskorpione nennt. Mit den langen, angewinkelten Beinen von der Spannweite eines Suppentellers, sahen sie wie eine Gespensterspinne aus, die von einer Dampfwalze überfahren und dünn wie ein Blatt Papier ausgewalzt wurde. Ihre Gestalt erlaubt ihnen, in Fugen und Spalten zu kriechen, die jedem anderen Lebewesen versperrt sind. Außerdem gleiten sie in einem unbegreiflichen Tempo über den Stamm, als sei er glatt wie eine Eisbahn. Die schnellen, geräuschlosen Bewegungen und der Wald von Beinen machen sie so abstoßend. Man schreckt unwillkürlich vor ihnen zurück, auch wenn man weiß, daß sie ganz harmlos sind. Als die erste wie hervorgezaubert aus einem Ritz kroch und über meinen bloßen Arm huschte, den ich an den Stamm gelehnt hatte, war die Wirkung auf mich, gelinde gesagt, außerordentlich demoralisierend. Kaum hatte ich mich von dem Schrecken erholt, als die anderen Bewohner des Baumes geschlossen ihre Behausung verließen. Fünf fette graue Fledermäuse flogen mit bösem Zwitschern und wutverzerrten Gesichtern in die Netze. Ihnen folgten zwei grüne Waldeichhörnchen mit hellbraunen Ringen um die Augen. Sie stießen schrille, zornige Schreie aus, als sie in den Maschen des Netzes herumrollten, und wir sie daraus zu befreien versuchten, ohne gebissen zu werden. Dann kamen sechs Haselmäuse, zwei große grünliche Ratten mit orangefarbenen Nasen und Hinterteilen und eine schlanke grüne Baumschlange mit riesengroßen Augen, die mit leicht beleidigtem Gesichtsausdruck unbeeindruckt durch die Maschen des Netzes glitt und im Gebüsch verschwand, bevor wir überhaupt daran denken konnten, sie zu fangen. Der Lärm und das Durcheinander waren unbeschreiblich. Die Afrikaner tanzten durch den treibenden Rauch, riefen sich Anweisungen zu, die niemand hörte und verstand, schrien voller Angst, wenn sie gebissen wurden, traten sich gegenseitig auf die Füße und schlugen in wildem Durcheinander mit ihren Stöcken und Macheten um sich, ohne sich im geringsten vorzusehen. Der Mann im Wipfel hatte sein Privatvergnügen. Er schrie, bellte und sprang in den Ästen herum, daß ich befürchtete, ihn jeden Augenblick herunterfallen zu sehen. Unsere Augen troffen, die Lungen waren voller Rauch, und der Fangsack war mit einer krabbelnden, springenden Last von Tieren gefüllt.
    Schließlich war der letzte Bewohner des Baumes zum Vorschein gekommen und das Feuer erloschen. Wir konnten eine Zigarettenpause einlegen und unsere Verletzungen begutachten und bewundern. Als wir gerade dabei waren, ließ der Mann in der Baumspitze zwei Säcke herunter, bevor er selbst abstieg. Ich nahm die Säcke sorgfältig in Empfang, ohne zu wissen, was sie enthielten, und fragte den Mann, wie er da oben zurechtgekommen sei.
    »Was ist in dem Sack?« fragte ich.
    »Fleisch, Masa«, antwortete er vielsagend.
    »Ich weiß, Buschmann, aber welche Sorte Fleisch hast du?«
    »Eh, ich nicht wissen, wie Masa Fleisch nennen. So, so Ratte, aber haben Flügel. Und da sein Fleisch in Sack, haben Augen groß wie Mensch, Sah.«
    Plötzlich war ich wie elektrisiert. »Er hat Hand wie Ratte oder Hand wie Affe?« schrie ich.
    »Wie Affe, Sah.«
    »Was gibt’s?« fragte Bob

Weitere Kostenlose Bücher