Ein Kuss unter dem Mistelzweig
abgekühlt hatte, mit der es sich leichter leben ließ. Jetzt war dieser sehnsüchtige Rausch aber wieder erwacht, und er war umso stärker, da sie ihn nun besser kannte. Wieder küsste er sie und zog sie so in seine Arme, dass sie nun beide in der Hängematte lagen. Dort blieben sie, küssten sich, unterhielten sich und lachten die ganze laue Nacht hindurch.
Als über der Stadt die Sonne aufging, schlichen sie nach unten und machten sich auf den Weg zu Lauries Wohnungstür. Da Siobhan immer noch in Lauries Bett schlief, unterhielten sie sich flüsternd.
»Das war eine tolle Nacht«, lächelte Jay. »Eine wirklich tolle Nacht.«
Laurie zuckte zusammen, als Mr Ripley ihr auf den Schoß sprang und sie mit einem Ruck auf den Boden der Tatsachen zurückholte. »Was ist bloß mit diesem Kater los?«, fragte sie und streichelte ihm über den Rücken. »Gibt es eigentlich irgendeinen Ort, an dem er nicht ist?«
»Der ist ganz lieb«, entgegnete Siobhan. »Ich glaube nicht, dass er sich heimlich heranschleicht, nur um dich zu erschrecken. Aber wie auch immer«, fuhr Siobhan fort. »Vielleicht hat Danny Recht. In letzter Zeit warst du ziemlich angespannt und gestresst – erst die Arbeit, und dann die Sache mit Jay. Vielleicht ist so eine Auszeit gar nicht schlecht. Jedenfalls gibt es Schlimmeres, findest du nicht?« Siobhan ließ die Frage einfach so im Raum stehen. Langsam nahm sie eine Schallplatte von Nina Simone aus der Hülle und legte sie auf ihren alten Plattenspieler.
Laurie zog die Augenbrauen hoch. »Kennst du mich eigentlich?«
»Okay, schon klar, was du meinst.«
»Ich hasse es, mich zu entspannen, und liebe meine Arbeit – Siobhan, meine Arbeit macht mich aus! So einfach ist das.«
»Ich muss wohl ein Kurzzeitgedächtnis haben – du hast ja recht. Immerhin bist du die Einzige, die bei einem Wochenende im Spa die ganze Zeit über auf ihr iPhone starrt und auf- und abläuft, weil sie der Meinung ist, dass es Besseres zu tun gäbe, als massiert zu werden und Piranhas an den Füßen knabbern zu lassen.«
Laurie grinste. Besagter Besuch im Wellnesshotel war nicht gerade ein Höhepunkt in der Geschichte ihrer Freundschaft gewesen.
»Wie wäre es denn mit einem Aktivurlaub?«, schlug Siobhan vor, deren Blick zum Fenster wanderte, als sie nachdachte. »Du weißt schon – vielleicht nicht unbedingt in einem Yoga-Tempel, aber vielleicht gefällt dir Malen in Cornwall, Vogelbeobachtungen in …«
»Okay, sofort aufhören«, unterbrach Laurie sie und hob abwehrend die Hand. »Dir ist schon klar, dass du da gerade deinen eigenen Urlaub planst, oder? Denn deine Vorschläge klingen allesamt so, wie ich mir die Hölle vorstelle. Vogelbeobachtung. Willst du mich auf den Arm nehmen?«
»Ich fand schon immer, dass diese Ausflüge ganz lustig klingen.«
»Ganz genau«, entgegnete Laurie. »Du magst recht damit haben, dass ich das Beste aus dieser Auszeit machen sollte. Ich bin schon ziemlich enttäuscht darüber, was passiert ist, aber ich habe nicht vor, in meinen vier Wänden zu hocken und mir nachmittags Reality- TV -Shows reinzuziehen. Mann, das ist echt … frustrierend!« Laurie schlug sich die Hände vors Gesicht. »Ich habe in diesem Jahr wirklich alles gegeben, um zu beweisen, dass ich für die neue Aufgabe gut genug bin – und jetzt habe ich alles vermasselt, und Danny hat sicher seinen Glauben an mich verloren.«
»Meiner Meinung nach klingt das nicht so«, entgegnete Siobhan und legte sich das Handtuch über die Schultern, um letzte Tropfen Wasser aus ihrem Haar aufzufangen. »Danny unterstützt dich, indem er dir eine Auszeit gewährt; das solltest du nicht verachten. Offensichtlich glaubt er nach wie vor an dich, Laurie, und will nur, dass du nach deiner Rückkehr wieder alles geben kannst.«
»Ach, keine Ahnung«, erwiderte Laurie mürrisch. Vielleicht war es nicht Danny, sondern eher Laurie selbst, die den Glauben an ihre Fähigkeiten verloren hatte. Sie konnte es sich einfach nicht vorstellen, wieder zu Seamless zurückzukehren und ihren Job zur Zufriedenheit aller zu erledigen. »Lass uns das Thema wechseln. Lenk mich von diesem leidigen Thema ab«, forderte sie. »Wie war denn dein Tag?«
»Gar nicht mal schlecht.« Siobhan schaute mit einem frechen Funkeln in ihrem Blick auf. »Ich bin nach der Arbeit noch mit Mr Ferguson, also Ed, etwas trinken gegangen.«
»Mit dem Sportlehrer Ed?«, hakte Laurie nach und beobachtete, wie die Miene ihrer Freundin sich aufhellte, als sie nickte.
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