Ein Kuss unter dem Mistelzweig
sicher, wenn ich nur …«
»Sieh mal, wir beide wissen doch, dass du es dir gar nicht leisten kannst, dir freizunehmen«, erklärte Rachel. Sie hatte den Kontostand mit eigenen Augen gesehen – die Finanzlage des Unternehmens war derzeit alles andere als rosig. Wenn nur ein einziges Projekt fehlschlug, dann könnte es ausreichen, um dem gesamten Unternehmen den Todesstoß zu versetzen.
»Das ist vollkommen in Ordnung«, fuhr Rachel fort und drückte seinen Arm. »Ich werde sie begleiten.« Sie war alle anderen Möglichkeiten bereits durchgegangen und hatte sie sogleich wieder verworfen – Beas Freunde hatten alle eigene Verpflichtungen, einmal abgesehen davon, dass die meisten von ihnen körperlich gar nicht mehr in der Lage waren, sich ausreichend um Bea zu kümmern, wenn diese während der Reise doch einmal ohnmächtig werden sollte.
Aidens und ihre Blicke trafen sich, und beiden war klar, dass sie das Gleiche dachten. »Aber Milly und Zak …«, wollte Aiden protestieren. Aidens derzeitige Arbeitsstelle befand sich zwei Autostunden entfernt. Es war also unmöglich, dass er die Kinder zur Schule brachte. »Wir müssen die Kinder so lange aus der Schule nehmen, oder?«
»Ja, ich denke schon«, erwiderte Rachel schweren Herzens, nachdem sie alle anderen Möglichkeiten abgewogen hatten. Zak hatte sich so auf seine Rolle als einer der drei Weisen aus dem Morgenland beim Krippenspiel gefreut, und Milly hatte sich in ihrer neuen Schule gerade erst richtig eingelebt. »Ich werde mich gleich morgen mit ihren Lehrern unterhalten und sie nach zusätzlichen Hausarbeiten fragen, die wir dann mitnehmen können.«
»Und ich rede mit Simon, welche Aufgaben ich an ihn delegieren kann«, schlug Aiden mit Blick auf seinen Kalender vor. »Wenn du mit Mum nach London fahren kannst, damit sie am Mittwoch zur Untersuchung dort ist, dann sollte ich am Wochenende zu euch kommen können.«
Rachel strich über die rauen Bartstoppeln an seinem Kinn und küsste ihn sanft. »Wir finden einen Weg, Aiden«, versicherte sie ihm. Er legte einen Arm um Rachels Schultern und zog sie an sich.
Aiden war zum ersten Mal seit Wochen früh zu Bett gegangen. Rachel beobachtete einen Augenblick lang, wie er tief und regelmäßig atmete. Im Schlaf schienen die Sorgen des Tages verschwunden zu sein, da er vollkommen entspannt wirkte.
In ihrem karierten Pyjama ging sie in das kleine angrenzende Badezimmer und band sich das dicke, blonde Haar zu einem lockeren Dutt zusammen. Sie dachte über die Reise nach London nach und überschlug die Kosten.
Während der letzten Monate hatten sie die Ausgaben in vielen Bereichen zurückgeschraubt, und da sie immer relativ vorsichtig im Umgang mit Geld gewesen waren, hatten sie ein kleines Polster, auf das sie zurückgreifen konnten. Dennoch … Rachel versuchte, die Zahnbürste in der Hand, an ihren Fingern zusammenzuzählen: Last-Minute-Zugtickets für zwei Erwachsene und zwei Kinder, zwei Wochen Unterkunft in einem Hotel für sie und die Kinder, Essen, Bustickets … Da kamen schnell ein paar Hundert Pfund zusammen. Aiden würde erst im nächsten Jahr die letzte Teilzahlung für sein derzeitiges Projekt ausbezahlt bekommen. Sein Lohn war das einzige Einkommen, über das sie verfügten, und auf dem Konto war nicht mehr viel drauf. Selbst wenn sie ein billiges Hotel aussuchten, würde die Unterkunft ein großes Loch in die bescheidenen Reserven reißen, die sie für die Weihnachtsgeschenke beiseitegelegt hatten. Es musste eine andere Lösung für das Problem her.
Plötzlich kam ihr eine Idee – natürlich! Laurie! Sicherlich war das ein großer Gefallen, um den Rachel sie da bitten würde, das war ihr klar. Aber wozu hat man schließlich alte Freunde, wenn sie einem nicht in einer Situation wie dieser helfen würden? Außerdem war Laurie immerhin Millys Patentante – auch wenn bislang hauptsächlich nur auf dem Papier. Vielleicht war jetzt die Zeit reif, um die Bindung ein wenig zu intensivieren. Rachel schwirrte der Kopf – das könnte funktionieren.
Rachel spülte sich den Mund mit Wasser aus, schlich sich an ihrem schlafenden Ehemann vorbei und machte sich auf den Weg nach unten. Dort setzte sie sich in die Küche, klappte den Laptop auf und öffnete, als dieser hochgefahren war, den Browser. Schnell tippte sie die URL von Facebook ein. Vor einer ganzen Weile schon war sie dort Mitglied geworden und hatte nach mehreren Anfragen von Familie und Freunden Bilder der Kinder hochgeladen. Seitdem
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