»Bist du interessiert?«
Siobhan stellte ihr Weinglas auf dem Art-déco-Beistelltisch ab. »Möglicherweise«, antwortete sie. »Eigentlich wollte ich mit niemandem von der Arbeit ausgehen, aber ich muss ehrlich zugeben, dass ich der Versuchung kaum widerstehen kann. Bei mir ist schon so lange tote Hose, dass ich einen Sportlehrer brauchen könnte, der mich daran erinnert, wie alles funktioniert.« Sie stieß ein kurzes, schnaubendes Lachen aus.
Gegen ihren Willen musste auch Laurie lachen. Siobhans und Lauries Dürreperioden hatten länger als ein Jahr angedauert, und sie hatten alle Phasen miteinander geteilt. In ihren Zwanzigern hatten sie beide mehr als genug Frösche geküsst – und suchten nun, mit Mitte dreißig, nach ein wenig mehr –, doch sowohl die Qualität als auch die Quantität der verfügbaren Männer schien immer weiter in den Keller zu gehen. Während der heiße Sommer in der Großstadt eine tolle Zeit mit kostenlosen Festivals und dem Notting Hill Carnival gewesen war, so war sie dennoch fest entschlossen gewesen, keine Affäre zu beginnen. Laurie hatte angenommen, dass sich alles ändern würde, wenn sie erst einmal mit Jay zusammenkäme … doch Ende September, als sich die Blätter gelb und braun färbten und die Kastanien auf die Windermere Road herabfielen, war sie wieder Single.
Die Platte blieb mitten im Groove hängen, sodass Nina Simones wunderbare Stimme sich in Dauerschleife wiederholte. »Wann besorgst du dir endlich ein iPod-Dock?«, seufzte Laurie, als Siobhan die Nadel neu aufsetzte. »Retro kann süß sein, aber man kann auch ganz schnell in einer Zeitschleife hängen bleiben. Wie wäre es, wenn ich dir dabei helfe, diese Wohnung hier für einen Mann …« Laurie wurde durch ein besticktes Kissen unterbrochen, das ihr ins Gesicht geschleudert wurde.
K apitel 4
Donnerstag, 23. November
Von:
[email protected] An:
[email protected] Milly,
hi! Es war super, mit dir neulich Nacht im Pub abzuhängen – ich bin froh, dass wir Kate und dich dazu überreden konnten, so lange zu bleiben, bis der Laden zugemacht hat.
Ich habe immer noch diesen Papierschnipsel, auf den du deinen Namen und deine Mailadresse gekritzelt hast – deswegen dachte ich, ich schreibe dir mal. Schließlich kommt es nicht jeden Tag vor, dass ich mich mit einem Mädchen wie dir unterhalte. Ich habe dich schon ein paar Mal gesehen und fand dich jedes Mal total süß.
Ich würde dich gern wiedersehen. Was hast du dieses Wochenende vor? Am Samstag steigt hier eine Party, falls ihr beide, Kate und du, noch nichts vorhabt!
Liebe Grüße,
Carter
d
Von:
[email protected] An:
[email protected] Hi,
ich fand’s auch super, euch Jungs kennenzulernen. Vielen Dank für die Drinks. Ich hatte deutlich mehr Spaß als an einem normalen Montag …
Party klingt großartig, aber ich muss am Samstag bei meinem kleinen Bruder Babysitten. LANGWEILIG !
Wie wäre es denn mit dem Wochenende danach, vielleicht am Freitag?
Liebe Grüße
Mills
d
Von:
[email protected] An:
[email protected] Cool. Also dann Freitag – ist ein Date! Ich melde mich nächste Woche nochmal.
LG C .
»Okay, du hast recht«, erklärte Bea. »Mir geht es in letzter Zeit nicht ganz so gut.«
Rachel holte tief Luft – es war also richtig gewesen nachzuhaken. Seitdem sie Mittwochnachmittag Zeuge geworden war, wie Bea das Gleichgewicht verloren hatte, war sie das Gefühl nicht losgeworden, dass irgendetwas nicht stimmte.
»Mir ist immerzu schwindelig, und ich habe auch schon ein paar Mal das Gleichgewicht verloren«, fuhr Bea fort. »Und zwar nicht nur, wenn ich zu schnell aufstehe. Außerdem ist mein Gehör auch nicht ganz in Ordnung.«
Es war schon ziemlich bemerkenswert, dass Bea zugab, dass etwas nicht in Ordnung war, da sie sich für gewöhnlich nicht so leicht von Krankheiten unterkriegen ließ. Aiden hatte irgendwann einmal gescherzt, dass sie wohl erst eine Lungenentzündung bekommen müsse, um Paracetamol rauszuholen. Selbst Milly und Zak nahmen sich tunlichst in Acht, sich in Gegenwart ihrer Großmutter nicht über Erkältungen und aufgeschürfte Knie zu beklagen.
»Vielleicht ist das dieser Virus, der gerade umgeht«, vermutete Rachel.
Bea zuckte mit den Schultern. »Das wird es wohl sein. Aber ganz gleich, was es ist, es ist ziemlich nervig. Da kann ich mir Schöneres vorstellen. Neulich ging es mir auf der Hauptstraße plötzlich nicht gut. Gott sei Dank hat mir dann John aus der Eisenwarenhandlung einen Stuhl