Ein Kuss vor Mitternacht
nehme ihn.“
Francesca war begeistert und entschied sich für den blauen Samthut. Sie bestand auch darauf, einen Zweig kleiner Seidenblüten als Haarschmuck für Constance zu kaufen.
„Unsinn“, wischte sie Constances Protest beiseite. „Die Blüten sehen bezaubernd aus zu dem blauen Kleid, das Sie sich von mir borgen. Im Übrigen dürfen Sie ein Geschenk nicht ablehnen.“
Mit runden Hutschachteln begaben sie sich zur wartenden Barouche. Als die Kutsche anfuhr, fasste Constance Mut und wandte sich an ihre Begleiterin.
„Mylady … Francesca. Ich verstehe das alles nicht. Warum tun Sie das für mich?“
Lady Haughston sah sie mit unschuldigem Blick an. „Was denn, meine Liebe?“
„Das alles.“ Constance vollführte eine vage Geste. „Sie laden mich ein, mit Ihnen den Nachmittag zu verbringen. Sie bieten mir ein Ballkleid an. Sie laden uns zu Lady Simmingtons Ball ein.“
„Was soll die Frage? Weil Sie mir gefallen!“, antwortete Francesca harmlos. „Wieso sollte ich Hintergedanken haben?“
„Ich habe keine Ahnung“, antwortete Constance aufrichtig. „Aber ich kann einfach nicht glauben, dass Sie mich, meine Tante und die Cousinen in dem überfüllten Saal bei Lady Welcombe entdeckten und so entzückt von uns waren, dass Sie Lady Welcombe baten, uns vorgestellt zu werden.“
Francesca schaute Constance lange sinnend an, dann seufzte sie. „Nun gut. Sie haben recht. Es gab einen bestimmten Grund, warum ich Sie kennenlernen wollte. Ich habe Sie gern – Sie sind eine ausgesprochen sympathische junge Frau. Und Sie haben diesen gewissen belustigten Ausdruck in den Augen, der mir sagt, dass Sie die Welt von der humorvollen Seite betrachten. Ich würde mich freuen, Sie zur Freundin zu haben. Aber das war nicht der Grund, warum ich Sie kennenlernen wollte. Tatsache ist … ich habe eine Wette abgeschlossen.“
„Eine Wette?“ Constance musterte sie entgeistert. „Um meine Person? Aber weshalb? Warum?“
„Ich habe mich zu einer Behauptung hinreißen lassen. Ich sollte endlich lernen, meine Zunge im Zaum zu halten“, gestand Francesca seufzend. „Rochford war so dreist, mich herauszufordern. Und … nun ja … ich habe mit ihm gewettet, dass ich noch vor Saisonende einen Ehemann für Sie finde.“
Constance starrte sie sprachlos mit offenem Mund an.
„Es tut mir leid“, fuhr Francesca ernsthaft fort und legte beschwichtigend eine Hand auf Constances Arm. „Mir ist klar, das war falsch, das hätte ich nicht tun dürfen. Und es ist Ihr gutes Recht, wütend auf mich zusein. Aber ich bitte Sie, mir zu verzeihen. Ich wollte Sie nicht kränken.“
„Sie wollten mich nicht kränken?“, fragte Constance aufbrausend in einer Mischung aus verletztem Stolz und Zorn. „Nein, beileibe nicht. Was könnte daran kränkend sein, mich der Lächerlichkeit preiszugeben?“
„Lächerlichkeit?“ Lady Haughston sah sie bestürzt an. „Wie können Sie so etwas denken?“
„Was soll ich denn sonst denken? Sie haben mich zum Gegenstand einer öffentlichen Wette gemacht.“
„Aber nein. Von einer öffentlichen Wette kann nicht die Rede sein. Es ist nur eine Abmachung zwischen Rochford und mir. Niemand sonst weiß davon, glauben Sie mir. Nun ja, abgesehen von Lucien“, fügte sie aufrichtig hinzu. „Aber er ist mein bester Freund, und ich garantiere Ihnen, dass er mit keiner Menschenseele darüber spricht. Er kennt die am besten gehüteten Geheimnisse der guten Gesellschaft. Und ich versichere Ihnen, dass ich darüber kein Wort verlieren werde, und auch Rochford wird es für sich behalten. Ich kenne keinen verschwiegeneren Mann als ihn.“ Sie blickte Constance beschwörend an.
„Und das soll mir als Rechtfertigung genügen … und alles ist wieder gut?“ Constance war bitter enttäuscht. Sie hatte nicht ahnen können, welche Beweggründe Lady Haughston dazu veranlasst hatten, sich ausgerechnet mit ihr anzufreunden. Nun fühlte sie sich gedemütigt und schnöde betrogen, weil die elegante Dame sie nur dazu benutzen wollte, ihr Geschick als Heiratsvermittlerin zu beweisen. „Warum ich? War ich die Person mit den geringsten Heiratschancen auf dem Ball? Zu hässlich und verblüht, als dass ein Mann den Wunsch haben könnte, mir den Hof zu machen?“
„Nein, ich bitte Sie, so dürfen Sie nicht denken!“, widersprach Francesca heftig. „Grundgütiger, was habe ich nur für eine Dummheit begangen. Die Wahrheit ist, wir schlossen die Wette ab, und Rochford suchte die Frau aus. Als er Sie wählte,
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