Ein Leben unter Toten
sterben werden.«
Nach dieser Antwort verzogen sich einige Gesichter. Obwohl die Frauen ihr Leben fast hinter sich hatten, hingen sie sehr daran. Freiwillig wollte niemand in den Tod gehen.
»Mich würde mal interessieren, wie sie Diana Coleman umgebracht haben«, sagte Carola plötzlich.
Die anderen erstarrten. Eine jede hatte die Worte verstanden. Sie alle dachten daran, doch niemand hatte bisher gewagt, es offen auszusprechen.
Auch jetzt gaben sich die Frauen erschreckt. »Bist du verrückt?« wurde Carola zischend angefahren. »So etwas kannst du doch nicht behaupten! Um Himmels willen.«
»Es bleibt ja unter uns.«
»Hoffentlich.«
»Wie meinst du das?« Trotz ihres Alters fuhr Carola erstaunlich schnell herum und schaute der jetzt vor ihr stehenden Sprecherin ins Gesicht.
Die wich zurück »Du weißt selbst, daß sie ihre Augen und Ohren überall haben. Die sind nicht zu packen, aber sie hören und sehen vieles. Glaube mir…«
»Du hast eben eine zu große Angst.«
»Nein, ich…«
»Da, sie kommen!«
Die beiden Frauen schwiegen und drehten sich, wie auch die anderen, wieder der Scheibe zu, um nach draußen zu schauen. Der Fahrer kam wieder aus dem Haus. Ihn begleiteten drei Personen. Einmal Blanche Everett, außerdem zwei Männer, die sie einrahmten. Es waren die Mädchen für alles in diesem Heim, und jede Insassin hatte Angst vor den muskelbepackten Typen. Wo Blanche Everett sie aufgegabelt hatte, wußte niemand, jedenfalls taten sie genau das, was ihnen gesagt wurde. Jeden Befehl führten sie aus, und in ihren Hirnen schienen sie Beton zu haben, so gefühllos waren sie. Grauenhaft…
Einige Frauen wichen erschreckt zurück, als sie die Männer entdeckten. Es waren die Hüter des Heims. Sie tauchten auf, wenn man nicht mit ihnen rechnete, und sie sprachen so gut wie nie. Allein ihre Anwesenheit war Drohung genug. Da wurde aufkeimender Widerstand sofort erstickt. Sie trugen beide derbe Kleidung. Die Ärmel der Hemden hatten sie hochgekrempelt. Jede konnte die gewaltigen Muskeln sehen. Es steckte tatsächlich viel Kraft in ihnen.
Die Gesichter der Kleiderschränke waren breite Flächen. Die Augen wirkten stumpf, und die braunen Haare waren auf die Länge von Streichhölzern gestutzt.
Der Fahrer öffnete inzwischen die Ladeklappe, während Blanche Everett wie eine Königin auf der Treppe stehengeblieben war und nur zuschaute.
Sie nahm ihre Überwachungs-und Kontrollfunktionen sehr genau wahr. Nur von Doc Rawson war nichts zu sehen. Er hielt sich meistens im Hintergrund, und wenn die Frauen ehrlich waren, dann gab es kaum jemand, der diesen Mann zu sehen bekommen hatte, höchstens von hinten, als einen menschlichen Schatten.
Uber ihn und seine Person lag der Schleier eines Geheimnisses. Niemand hatte Interesse daran, es zu lüften. Und auch Blanche Everett erwähnte den Namen des Chefs kaum. Alles lief über sie. Die beiden Helfer sprangen auf die Ladefläche und luden die neu eingetroffenen Särge ab.
Bisher hatten die an den Fenstern stehenden Frauen nicht sehen können, wie viele dieser Totenkisten herbeigeschafft wurden, nun erkannten sie es.
Drei waren es.
Sie wurden an die Kante der Ladefläche geschoben, dann abgeräumt und neben dem Wagen aufgestapelt. Dabei half auch der Fahrer, der anschließend die Klappe wieder schloß.
»Drei Särge!« flüsterte jemand. »Sie haben drei Särge abgeladen. Wer soll noch alles sterben?«
»Einer ist für Diana!«
»Und die anderen beiden?«
»Es stehen auch noch einige im Keller«, wurde der Fragerin geantwortet.
»Dann werden viele sterben.«
»Vielleicht schafft man sich eine Reserve an?«
Die Meinungen gingen auseinander. Eine jede fühlte, daß sich etwas verändert hatte. Wahrscheinlich standen sie vor einer entscheidenden Wende. Da würde sich etwas tun, da lag etwas in der Luft, was nicht zu greifen war.
»Oder wir sterben alle!« sagte jemand mit dumpfer Stimme.
Diesen Satz wollte Carola nicht hinnehmen. »Haltet doch endlich den Mund. Ihr tut so, als lägt ihr schon in den Totenkisten. Schließlich können sie nicht einfach…«
»Was können sie nicht?« erkundigte sich die Frau neben Carola.
»Uns töten!«
»Denk an Diana Coleman!«
Carola schüttelte den Kopf. »Wißt ihr, was so schlimm bei euch ist? Ihr selbst seid es. Unsere Lage ist schon bescheiden genug aber durch eure Angst und Uneinigkeit macht ihr alles noch schlimmer. Wartet doch erst einmal ab.«
»Worauf sollen wir warten? Auf den Tod?«
Die Frau neben
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