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Ein letzter Besuch: Begegnungen mit der Weltmacht China (German Edition)

Ein letzter Besuch: Begegnungen mit der Weltmacht China (German Edition)

Titel: Ein letzter Besuch: Begegnungen mit der Weltmacht China (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Schmidt
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als sie sich vom Englischen abwandten.
    LEE Ja, das haben sie.
    SCHMIDT Wie viele Menschen leben in Malaysia?
    LEE Auf der Halbinsel Malaysia sind es rund 15 Millionen. Aber dazu kommen noch Sabah und Sarawak auf Borneo, jenseits des Meeres. Dort leben weitere drei oder vier Millionen.
    SCHMIDT Als ich vor rund zwanzig Jahren einmal Mahathir besuchte, empfing er mich wie der Kaiser von China, von einem erhöhten Platz auf mich herabschauend (beide lachen). Ich habe mich gefragt, ob das üblich war oder ob er sich nur gegenüber einem armen Europäer so verhielt. In gewisser Weise erinnerte mich sein Verhalten an einen Europäer aus der Tschechischen Republik – Präsident Václav Klaus. Haben Sie Klaus einmal getroffen?
    LEE Klaus?
    SCHMIDT Aus Prag. Er ist Präsident der Tschechischen Republik.
    LEE War er derjenige, der im Gefängnis gesessen hat?
    SCHMIDT Nein, das war Václav Havel. Klaus ist der gegenwärtige Präsident. Er mag den Euro genauso wenig wie Sie (lacht). Er ist sehr halsstarrig. Die Ähnlichkeit zwischen Mahathir und Klaus besteht für mich darin, dass auch Klaus mich auf einem erhöhten Sitz empfing. Als ich seinen Amtssitz betrat, erinnerte ich mich an Malaysia. Als ich das erste Mal in China war und der Kaiser von China mich empfing – der damals, nebenbei gesagt, Mao Zedong hieß –, saß er nicht auf einem erhöhten Platz.
    LEE Nein, der nicht.
    SCHMIDT Haben Sie Mao kennengelernt?
    LEE Ja.
    SCHMIDT Wann war das?
    LEE In seinem Todesjahr, vor dem Erdbeben.
    SCHMIDT Er starb 1976.
    LEE Ja, ich bin im Mai mit ihm zusammengetroffen. Das Erdbeben ereignete sich später im Jahr, und er starb zur Zeit des Erdbebens.
    SCHMIDT Ich habe ihn ein halbes Jahr vorher kennengelernt, 1975. Ich war auf Einladung Zhou Enlais dort, der war aber schon sehr krank, als ich eintraf. Er lag im Krankenhaus und konnte mich nicht empfangen. Stattdessen traf ich mit Mao zusammen. Deng Xiaoping musste damals äußerst vorsichtig agieren, wenn er seinen Kopf behalten wollte.
    LEE Mao war ein großer Guerillakämpfer, der China befreite. Aber er hat China durch die Kulturrevolution auch für zwei, drei Jahrzehnte zerstört, und er hat Universitäten geschlossen. Ohne Deng Xiaoping wäre das Land zusammengebrochen. Er gehörte zur alten Garde und besaß die Autorität, das Ruder herumzureißen.
    SCHMIDT Ich denke, schon die Periode vor der damals sogenannten »Großen Proletarischen Kulturrevolution« hat als Periode des »Großen Sprungs nach vorn« den Chinesen großen Schaden zugefügt.
    LEE 15 Millionen Menschen starben.
    SCHMIDT Nach neueren Forschungen sollen es weit mehr gewesen sein.

Der erste Besuch eines deutschen Bundeskanzlers in der Volksrepublik China: Helmut Schmidt bei Mao Zedong, Oktober 1975.
    © Bundesbildstelle

LEE Sie starben an Hunger. Weil man alle Messer, Gabeln und Löffel einschmolz. Er wollte so viel Stahl wie möglich produzieren. Der Mann war verrückt. Er glaubte, nachdem er China befreit hatte, könnte er auf die gleiche Weise die Welt umgestalten.
    SCHMIDT Er hat Marx auf den Kopf gestellt. Er dachte, man brauche kein Industrieproletariat, das ländliche Proletariat genüge. Aber die Bevölkerung auf dem Land ist normalerweise nicht rebellisch.
    LEE Da bin ich mir nicht sicher. Ich denke, heutzutage ist die Landbevölkerung sehr unzufrieden, weil sie dank Smartphone, Internet und nationalem Fernsehen sehen kann, wie wohlhabend die Städte an der Küste sind und wie ärmlich ihr eigenes Zuhause ist.
    SCHMIDT Dieses Wohlstandsgefälle zwischen den Küstenstädten und den Menschen in der Landwirtschaft ist das größte Problem, das China heute hat.
    LEE Ja, aber auch die großen Unterschiede innerhalb der Städte selbst. Denn viele haben das Land verlassen, um in die Städte zu ziehen und dort zu arbeiten und ein besseres Leben zu führen. Aber sie haben kein Anrecht auf Gesundheit, Bildung und so weiter und meist nur wenig Teilhabe an den Errungenschaften der modernen Zivilisation.
    SCHMIDT Ich denke, Mao hat zwei große Dinge getan. Erstens die Wiedererrichtung des Reichs der Mitte, des Middle Kingdom, wie die Engländer sagen.
    LEE Ja.
    SCHMIDT Und zweitens die Befreiung der Frauen. Ich denke, auch dies ist sein Verdienst.
    LEE Das wäre sowieso geschehen.
    SCHMIDT Es wäre sowieso geschehen?
    LEE Weil sich, sobald Frauen eine Bildung erhalten, ihre Arbeitschancen und ihre sozialen Beziehungen verändern.
    SCHMIDT Manche Frauen in Europa, in Frankreich ebenso wie in Italien und

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