Ein letztes Mal ... (German Edition)
Marianna stärker denn je vor. Hatte sich in der Küche zwischen ihnen schließlich doch etwas verändert? Konnte das, was sie langsam wieder zu empfinden begann, auf Gegenseitigkeit beruhen?
Unsicher blieb sie an der Tür stehen. „Du hast also bemerkt, dass ich hier bin.“
„Ich merke immer, wenn du einen Raum betrittst.“
Also war das nicht eine aufreizende Bemerkung?
Sie ging ins Zimmer, bis sie den weichen Flickenteppich in Rosa und Gelb unter ihren nackten Füßen spürte. „Nach dem, was ich von dem Gespräch mitbekommen habe, ist Kyle nichts passiert.“
„Ja, nicht mal einen Kratzer hat er abbekommen“, bestätigte Sebastian. „Offenbar wurde das Flugzeug von Leuten, die sich in den Bergen herumtreiben, abgeschossen. Alle Insassen haben den Absturz überlebt, aber sie haben sich von der Unglücksstelle entfernt, um sich vor den Rebellen zu verstecken. Deshalb dauerte die Rettungsmission etwas länger.“
„Diese Stunden des Wartens müssen fürchterlich lang für deinen Bruder gewesen sein.“
„Ich will nicht mal daran denken.“
Natürlich nicht. Für Sebastian galt immer nur, die Vergangenheit hinter sich zu lassen und voranzugehen, als habe es die Vergangenheit nie gegeben. Marianna fuhr mit einem Finger über den großen Schrank, dessen offen stehende Tür den Blick auf Sophies Taufkleidchen freigab. Da sie den Schmerz in diesem Zimmer erneut mit aller Heftigkeit empfand, wünschte sie, sie hätte etwas von Sebastians Fähigkeit, Teile der Vergangenheit einfach auszublenden.
Er zeigte auf die Einkaufstüten in dem Kinderbettchen. „Du warst also schon für das Baby einkaufen.“
Sie betrachtete die Tüten mit Babysachen und dachte an die Tränen bei dieser Einkaufstour. Zum Teufel mit dem Vergessen. Sie konnte sich einfach nicht länger zurückhalten. Falls Sebastian wirklich einen Versuch mit einer neuen Beziehung zwischen ihnen beiden machen wollte, dann würde er akzeptieren müssen, wer sie war und wie sie mit dem Leben umging. Er würde lernen müssen, wie man sich änderte.
Sie wandte sich Sebastian zu, ohne ihren Kummer zu verbergen und fragte: „Denkst du eigentlich noch an sie?“
10. KAPITEL
Denkst du eigentlich noch an sie?
Mariannas Frage durchfuhr Sebastian bis ins Innerste. Er brauchte nicht erst zu fragen, wen Marianna meinte. Allein die Andeutung reichte, um Sophie im Kinderzimmer so lebendig werden zu lassen, dass er hätte schwören können, seine kleine Tochter in ihrem Bettchen brabbeln zu hören. Er zwang sich, den eisernen Griff, mit dem er die Armlehne des Schaukelstuhls umklammerte, zu lösen.
Instinktiv drängte es ihn, die Unterhaltung zu beenden. Aber nur für einen Moment. Wollte er die Dinge mit Marianna ins rechte Lot bringen, dann konnte er nicht ständig die gleichen Fehler machen. Er musste akzeptieren, dass Sophie – und die Weigerung, seinen Kummer mit seiner Frau zu teilen –, sehr viel zu der Kluft beigetragen hatte, die sich in ihrer Ehe aufgetan hatte.
„Ich denke die ganze Zeit an Sophie.“ Die Worte kamen ihm nur schwer über die Lippen.
Selbst als er versucht hatte, sie zu vergessen, versucht hatte, nicht einmal an ihren Namen zu denken, ertappte er sich immer wieder dabei, dass er sich fragte, ob sie gefüttert, im Arm gehalten wurde, ob ihr warm oder kühl genug war. Ob sie genug geliebt wurde.
Marianna blieb vor dem Kinderbett stehen, in dem Sophie nie wieder schlafen würde. „Ende dieser Woche ist ihr erster Geburtstag.“
„Ich weiß.“
Sie zog ein winziges rosafarbenes Kleidchen aus einer der Einkaufstüten und strich über die weißen Gänseblümchen, mit denen Kragen und Saum bestickt waren. „Ich war vor ein paar Tagen einkaufen, um Geschenke für sie zu kaufen.“
Sie riss das Preisschild ab und griff noch einmal in die Tüte. „Ich weiß, sie kann sie nicht bekommen, aber ich musste unbedingt … Ich konnte ihren Geburtstag nicht einfach verstreichen lassen, ohne ihn irgendwie zu feiern.“
Als Nächstes kam eine Stoffpuppe zum Vorschein. „Also habe ich einiges eingekauft.“ Sie holte einen kleinen Badeanzug heraus – in Rosa und Gelb, mit blauen und grünen Fischen. „Ich spende alles der Wohlfahrt.“
„Eine wirklich nette Geste.“ Er hätte daran denken sollen, eine jährliche Spende an einen Wohltätigkeitsverein zu Ehren Sophies einzurichten. Mit Sicherheit war es noch nicht zu spät dazu, und er begriff, dass sie, sosehr er auch versuchte, nicht an sie zu denken, dennoch ganz unerwartet in
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