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Ein Lied über der Stadt

Ein Lied über der Stadt

Titel: Ein Lied über der Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ewald Arenz
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Luise flog einen schnellen Kreis, um vielleicht zu sehen, welchen Weg sie genommen hatten, aber es war unmöglich. Egal. Sie musste nur vor ihnen in der Stadt sein. Sie entschloss sich für das Bärenloch und gab Gas. Der Motor heulte und lief zu hoch. Luise sah, dass das Öl zu rauchen begann. Er wurde zu heiß. Sie zwang sich, etwas Gas wegzunehmen. Wohin?, dachte sie fieberhaft, wohin? War Papa zu Hause? Sie konnte nur auf der Wiese neben der Stadtmauer landen. Dann brauchte sie noch fünf Minuten bis zum Haus. Und dann? Wenn er nicht da war? Und wenn sie zuerst zur Tankstelle fuhren? Da gab es ein Feld daneben. Luise versuchte verzweifelt, sich zu erinnern, was dort angebaut war. Wenn es Rüben waren oder Kartoffeln, dann konnte sie nicht landen, ohne Bruch zu machen.
    Hochverrat! O Gott! Hochverrat bedeutete ein Todesurteil. Georg! Sie sah hinunter auf die Straße. Kein Auto. Da die Stadt tiefer lag, sank sie jetzt und konnte schneller werden. Georg oder Papa? Sie musste sehen, wohin sie fuhren! Am Ende des Bärenlochs wich der Wald zurück, und die Straße ließ sich drei oder vier Kilometer weit bis zur Stadt überblicken. Ein einsamer Lastkraftwagen fuhr dort, auf der anderen Seite ein Heuwagen mit einem einzelnen Pferd. Sie waren also auf der anderen Straße und fuhren zu Georg. Sie flog weiter auf die Stadt zu. Sie konnte ja darüber hinweg. Aber was dann? Würde sie schnell genug sein, um ihn aus der Werkstatt zu holen? Und was war dann mit Papa? Sie würden ihn wieder mitnehmen. Der Hektograf. Und der Mesner war in der Remise gewesen, wusste, dass sie mit Georg das Flugzeug … Ihre Gedanken rasten. Was sollte sie tun? Sie musste sich entscheiden! Papa oder Georg. Sie schluchzte vor Angst und Hilflosigkeit und flog dabei schon in Richtung Norden auf die Tankstelle zu, weil sie genau wusste, dass sie zu weit entfernt von ihrem Haus hätte landen müssen. Sie konnte nur hoffen, dass Papa noch unterwegs war. Nachmittags, hatte Luana geschrieben, war er zurück, das hieß gar nichts.
    Sie flog den Bogen, kam jetzt aus dem Süden auf die Stadt zu, und dann tauchte das Auto auf. Es war unverkennbar. Wie durch ein umgekehrtes Fernglas sah sie scharf und klar und sehr klein die drei Personen im Wagen sitzen. Sie waren vielleicht anderthalb Kilometer vor der Stadt. Zwei Minuten, rechnete Luise, fünf durch die Stadt, eine bis zur Tankstelle. Noch einmal gab sie Gas, ließ das Auto hinter sich zurück und ging schon in die Wendekurve, bevor sie die Stadtmauer überflogen und die Tankstelle ganz erreicht hatte. Dann sah sie das Feld. Grün. Zuckerrüben. Sie schaute verzweifelt auf die Straße. Zwei Fahrzeuge hintereinander, ein Brauereigespann, ein Lastkraftwagen dahinter. Alle zu langsam, die Straße wurde nicht frei. Sie konnte nicht landen.
    In diesem Augenblick wurde ihr klar, was zu tun war. Sie flog die Schleife fertig und ging noch einmal etwas höher, um das Auto zu suchen. Jetzt hatte sie es. Die Polizisten passierten eben das Südtor. Sie würden an der Stadtmauer entlangfahren, durch die Einbahnstraße zum Marktplatz, weiter in die Bahnhofsgasse und dann nach rechts durch das Nordtor wieder hinaus zur Tankstelle. Und in einer Minute waren sie auf dem Marktplatz. Das genügte. Luise wurde ruhig. Auf einmal lag alles klar vor ihr. Die Polizisten hatten kein Funkgerät im Auto gehabt. Sie und der Mesner waren die Einzigen, die vom Flugzeug und vom Hektografen in der Scheune wussten. Sie waren die Einzigen. Es war ein wunderbarer Zufall, wie eine Fügung, dachte sie, während sie noch einmal über der Stadt kreiste und dem Wagen Zeit ließ, in die Straße zum Marktplatz einzubiegen. Auf einmal war es wie bei ihrem ersten Looping: Alles stand vor ihr, eine ganz genaue Vorstellung von dem, was richtig war. Sie dachte an Papa und an Paul und an Luana und an Georg. Sie hatte ihnen nichts hinterlassen. Sie vollendete den Bogen und flog über das nördliche Tor in die Stadt ein, dem Auto entgegen. Jetzt war sie nur noch wenige Meter über den Dächern. Ich hätte ihnen so gerne noch alles gesagt, dachte sie wild und voller Sehnsucht nach denen, die sie liebte, ich hätte so gerne das Kind gesehen. Und dann, weil sie nichts anderes zurücklassen konnte, keinen Brief und kein Wort und nichts anderes, und weil sie nicht schweigen wollte, fing sie an, in den Motorenlärm zu singen, das Einzige, was ihr einfiel, ein Lied aus Kindertagen. Für Papa und Georg, dachte sie, als sie sang: » Lobet den Herren, den mächtigen

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