Ein Lord entdeckt die Liebe
schloss den Mund dann jedoch wieder. Seine Schultern sanken herab, er trat in den Raum und ließ sich auf dem Stuhl am offenen Kamin nieder. „Du hast recht.“
Sie wartete.
„Aber du hast nicht in allem recht. Ich verschwende keine Zeit damit, mich gegen die Liebe zu wehren. Es ist unnötig, weil ich nicht an die Liebe glaube.“
Tränen stiegen ihr in die Augen, und ihre Lippen begannen zu zittern. „Wie kannst du so etwas sagen?“, flüsterte sie.
„Vielleicht sollte ich es anders ausdrücken. Ich glaube nicht, dass Liebe das Allheilmittel ist, als das sie immer dargestellt wird. Jedenfalls nicht für mich.“ Seine Stimme wurde hart. „Liebe ist eine Fantasie, Chloe. Eine gefährliche Fantasie. Warum ich das sage? Weil es so unglaublich dumm ist, einer Lüge nachzuhängen. Sieh dich doch um! Worin liegt der Grund für so viel Qual und Elend? Darin, dass alle Welt die Liebe idealisiert. Dabei ist die Liebe niemals stark genug, um zu verhindern, dass man von denen, die man liebt, verletzt wird oder diejenigen verletzt, die man liebt.“
Er suchte eine bequemere Stellung für seinen verletzten Arm und starrte auf den Boden. „Weißt du, warum Rob so enttäuscht von mir ist?“
„Nein.“
„Ich überraschte ihn, wie er sich über ein weinendes Mädchen beugte. Und ich dachte, er habe der Kleinen wehgetan.“
Sie verstand sofort. „Du dachtest, er sei wie sein Vater.“
„Ja.“ Er schluckte. „Connor … Zum Teufel mit ihm! Nicht einmal Mairi weiß, wie er gestorben ist.“ Braedon hob den Kopf und schaute Chloe an. „Dir werde ich es erzählen. Denn ich möchte, dass du alles begreifst.“
Sie ließ sich auf der Bettkante nieder. Ihr Herz raste. Angstvoll wartete sie. Was würde Braedon ihr gestehen?
„Im Dorf gab es ein Mädchen. Ein liebes Ding, hübsch, aber nicht besonders klug. Connor brachte das Mädchen, sein Name war Mary, irgendwie dazu, ihn zur Hütte des Wildhüters zu begleiten. Er … Er missbrauchte sie. Ich fürchte, es war nicht das erste Mal, dass er so etwas tat. Aber diesmal ging er zu weit. Mary starb.“
Chloe schlug die Hände vor den Mund.
„Mein Vater fand die beiden. Er war entsetzt. Wahrscheinlich gestand er sich zum ersten Mal ein, dass er nicht unschuldig an Connors Entwicklung war. Jahrelang hatte er über alle Fehler meines Bruders hinweggesehen, weil er ihn liebte. In jener Nacht aber schämte er sich. Er hatte ein Monster gezeugt. Ein Monster, das niemand würde beherrschen können. Vater bekam es mit der Angst zu tun. Was würde in Zukunft noch geschehen?“
Aus weit aufgerissenen Augen starrte Chloe ihn an.
Braedon erwiderte ihren Blick. Seine Haltung spiegelte deutlich die Qualen wider, die er litt. „Vater erschoss ihn. Er tötete seinen ältesten Sohn, den Sohn, den er immer am meisten geliebt hatte. Die Geschichte, die er der Welt erzählte, war, dass Connor und das Mädchen wohl von einem Landstreicher umgebracht worden seien, der in die Wildhüter-Hütte eingebrochen war. Natürlich glaubte man ihm. Schließlich war er der Marquess of Marland. Als er nicht lange danach starb – es sah aus wie ein Unfall beim Gewehrreinigen –, fand ich einen Brief, in dem er mir die Wahrheit anvertraute.“
Nun zitterte er am ganzen Körper. Chloe eilte zu ihm, um ihn in die Arme zu schließen. Sanft strich sie ihm über den Rücken, flüsterte ihm beruhigende Worte ins Ohr.
Zunächst sah es so aus, als sei dieser Trost ihm willkommen. Doch dann befreite er sich aus Chloes Umarmung. „Wie du siehst“, sagte er mit harter Stimme, „kann Liebe niemanden retten. Liebe hat Connor zu dem Ungeheuer gemacht, das er war. Und Liebe hat auch zum Tod meines Vaters geführt.“
Chloe hatte zu weinen begonnen. „Wie schrecklich“, schluchzte sie. „Es tut mir alles so leid. Aber es ist lange vorbei. Lass die Vergangenheit los, Braedon.“
Heftig schüttelte er den Kopf. „Es ist nie vorbei. Hast du vergessen, was vor wenigen Stunden geschehen ist?“
„Du hast gelitten, und das macht mich sehr traurig. Doch du könntest deine schlimmen Erinnerungen hinter dir lassen, wenn du nur wolltest. Stattdessen klammerst du dich daran. Das ist der falsche Weg, Braedon! Jeder Mensch erlebt irgendwann etwas, das ihn quält. Nicht nur du, wir alle haben gelitten. Aber das ist nicht das Ende jeden Glücks. Schau nach vorn, glaub an eine bessere Zukunft. Ich bin bereit, dir zu helfen.“ Sie holte tief Luft und schaute ihm direkt in die Augen. „Ich bitte dich noch einmal,
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