Ein Lord entdeckt die Liebe
… Dann hätte er schottische Schuhe und keine Stiefel getragen …
Als er sich räusperte, zuckte sie zusammen.
„Wo finde ich Hardwick?“ Seine Stimme verriet eine gewisse Ungeduld.
Chloe musste all ihren Mut und all ihre Selbstbeherrschung aufbringen, um seinen Blick zu erwidern und ihm zu antworten. „Ich bin Hardwick, Mylord.“
Forschend starrte er sie an und schüttelte schließlich leicht gereizt den Kopf. „Ich habe nichts gegen Scherze, Miss. Aber jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt dafür. Ich muss unbedingt mit Hardwick sprechen. Es ist dringend. Mit George Hardwick, meinem Hardwick.“
Chloe wünschte sich, den Blick von seinen dunklen Augen abwenden zu können. Wie schön wäre es gewesen, noch einmal die kräftige männliche Gestalt zu betrachten! Aber das wagte sie nicht. Dieser Moment war so wichtig! Alles, wofür sie in den vergangenen Monaten gekämpft hatte, stand auf dem Spiel. „George Hardwick“, begann sie, „ist mein Stiefvater. Er wurde krank, kaum dass Sie England verlassen hatten, Mylord. Sehr krank …“ Sie atmete tief ein. „Ich habe seine Aufgaben erledigt, so gut ich es vermochte. So betrachtet, Sir, bin ich Ihr Hardwick.“
Er straffte die Schultern und schien noch größer zu werden. Dabei schaute er so böse drein, dass es Chloe abwechselnd heiß und kalt wurde. Dennoch gelang es ihr, seinem Blick standzuhalten. Innerlich bereitete sie sich auf das Schlimmste vor.
Es trat nicht ein. Marland verharrte reglos. Plötzlich blitzten seine Augen auf, abrupt wandte er sich ab und verließ den Raum. Schon waren seine eiligen Schritte auf der Treppe zu hören.
Chloe kannte sein Ziel. Aber selbst wenn es um ihr Leben gegangen wäre, sie hätte ihm in diesem Moment nicht folgen können. Oh bitte, dachte sie, unfähig einen vollständigen Satz zu formulieren. Oh bitte! Es gab keinen Ort, an dem sie Zuflucht hätte suchen können. Die Stellung in Denning Castle war die einzige Sicherheit, die sie besaß.
Ihre Knie wurden weich. Sie ließ sich auf den Stuhl sinken und barg das Gesicht in den Händen.
Braedon Denning, der 7. Marquess of Marland, schob ungeduldig die Plane beiseite, die anstelle einer Tür den alten Flügel des Hauses vom neu errichteten Anbau trennte. Hier begann sein Teil von Denning Castle. Er würde dafür sorgen, dass hier nur aufbewahrt wurde, was ihm wichtig war. Nichts sollte an seinen Vater oder seinen Bruder erinnern.
Erst als er laut ausatmete, wurde ihm bewusst, dass er die Luft angehalten hatte. Rasch schaute er sich um. Alles war voller Staub, es roch nach Farbe – und doch hätte er sich nichts Schöneres ausmalen können. Er war zutiefst erleichtert.
Jede Einzelheit entsprach genau seinen Vorstellungen. Sein Zorn verrauchte, als er über den grauen Steinfußboden des großen Raums schritt. Das Muster, nach dem der italienische Marmor verlegt worden war, gefiel ihm. In der Mitte des Zimmers blieb er stehen, um sich noch einmal genauer umzusehen. Die Wände waren – seinen Anweisungen gemäß – mit Nischen ausgestattet. An einer Seite hatte man ein Gerüst errichtet, das bis zur Galerie im Obergeschoss reichte.
„Hölle und Verdammnis“, flüsterte Braedon.
„Hölle und Verdammnis“, kam kaum hörbar das Echo.
Er hob den Blick und betrachtete die gewölbte Decke. Er hatte mit dem Schlimmsten gerechnet. Doch tatsächlich schienen die Arbeiten weiter fortgeschritten zu sein, als er zu hoffen gewagt hatte. Auch der zweite Zugang zum Raum befand sich genau da, wo er ihn haben wollte. Er eilte darauf zu und trat ins Freie, um das Gebäude von außen zu mustern.
Alles war perfekt, jeder einzelne Steinblock meisterhaft und präzise behauen.
Langsam schritt Braedon um den Bau herum. Er fand keinen Fehler in der Konstruktion. Er spürte, wie die Sorgen, die ihn gequält hatten, sich in nichts auflösten und einer stetig wachsenden Neugier Platz machten.
Als er zum Eingang des Anbaus zurückkehrte, fand er die junge Frau dort wartend vor. Und jetzt, da er sich weitgehend beruhigt hatte, konnte er sie mit der für ihn typischen Distanz genau mustern.
Die eingehende Betrachtung vermochte seine Ratlosigkeit nicht zu mindern. Dies war eine Frau, die in keine der ihm bekannten Schubladen passte. Fest stand, dass sie groß war. Mehr allerdings konnte er kaum über sie herausfinden. War sie schlank, mollig oder aufregend weiblich? Das Kleid, das sie trug, verriet nichts über ihre Figur. Es erinnerte an einen Sack und ließ weder die
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