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Ein Lotterie-Loos

Ein Lotterie-Loos

Titel: Ein Lotterie-Loos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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saubere Stübchen, freilich mit einer nur bescheidenen Ausstattung, welche aber nirgends das Schaffen und Walten verständig sorgender Hände vermissen ließ. Darüber und unter dem Dache, das gleich dem einer Sennhütte ein Stück vorsprang, befand sich das Stübchen Joëls, welches durch ein, mit geschmackvoll geschnitztem Tannenholzrahmen versehenes Fenster erhellt wurde. Von hier aus umfaßte der Blick einen Horizont von mächtigen Bergen und konnte auch bis zum Grunde des engen Thales hinausschweifen, das der Maan – halb ein Bergbach, halb ein Flüßchen – murmelnd durchzog. Eine Holztreppe mit festem Geländer und spiegelblanken Stufen führte von der großen Stube des Erdgeschosses aus nach den oberen Stockwerken. Man konnte sich kaum etwas mehr Anheimelndes denken, als den Anblick dieses Hauses, in dem der Reisende eine, in den Landgasthöfen Norwegens seltene Bequemlichkeit vorfand.
    Hulda und ihre Mutter bewohnten also das erste Stockwerk, wohin sie sich, wenn sie allein waren, stets zeitig zurückzogen. Schon hatte Frau Hansen, die einen buntfarbigen Glasleuchter in der Hand hielt, die ersten Stufen erstiegen, als sie plötzlich noch einmal stehen blieb.
    Draußen klopfte es an die Thür und eine Stimme rief:
    »He, Frau Hansen! Frau Hansen!«
    Die Angerufene ging wieder hinunter.
    »Wer könnte so spät noch kommen? sagte sie.
    – Es wird doch Joël kein Unfall zugestoßen sein!« rief Hulda erschrocken.
    Sie eilte sofort nach der Thür.
    Vor derselben stand ein junger Bursche – einer jener halbwüchsigen Jungen, welche häufig als »
Skydskarl
« (Schußknecht) dienen, als welcher sie hinten auf dem Karren Platz nehmen und nach zurückgelegter Fahrstrecke das Pferd nach der betreffenden Station heimzuführen haben. Dieser hier war zu Fuß gekommen und stand dicht vor der Schwelle.
    »Nun, was willst Du noch zu dieser Stunde? fragte Hulda.
    – Zunächst Ihnen einen guten Abend wünschen, antwortete der Bursche.
    – Ist das Alles?
    – Nein, gewiß nicht, doch muß man zuerst nicht immer höflich sein?
    – Du hast Recht. Doch wer sendet Dich?
    – Ihr Bruder Joël schickt mich.
     

    Der Junge ließ keinen Tropfen in der dargereichten Tasse. (S. 11.)
     
    – Joël … Und weshalb?« ließ sich Frau Hansen vernehmen.
    Sie ging dabei mit jenem langsamen, gemessenen Schritte, der den Bewohnern Norwegens eigenthümlich ist, nach der Thür zu. In den Adern ihres Erdbodens mag sich vielleicht Quecksilber finden, in den Adern der Leute hier gewiß keines.
    Jene Antwort hatte die Mutter aber offenbar etwas beunruhigt, denn sie beeilte sich, ihrer Frage hinzuzusetzen:
    »Meinem Sohne ist doch nichts zugestoßen?
    – Doch! Mit dem Postcourier von Christiania ist ein Brief von Drammen eingetroffen…
    – Ein Brief, der von Drammen kommt? sagte Frau Hansen, die Stimme senkend, rasch.
    – Das kann ich nicht behaupten, antwortete der Bursche. Ich weiß nur, daß Joël vor morgen nicht nach Hause kommen kann und daß er mich hierher geschickt hat, um diesen Brief abzugeben.
    – Ist derselbe denn so eilig?
    – Es scheint so.
    – Gieb her, sagte Frau Hansen in einem Tone, der ihre lebhafte Unruhe verrieth.
    – Hier ist er ganz sauber und unzerknittert, für Sie ist der Brief aber gar nicht.«
    Frau Hansen schien erleichtert aufzuathmen.
    »Für wen denn? fragte sie.
    – Für Ihre Tochter.
    – Für mich! rief Hulda. Das ist bestimmt ein Brief von Ole, der über Christiania eingetroffen sein wird. Mein Bruder hat mich auf denselben nicht wollen warten lassen!«
    Hulda hatte das Schreiben in Empfang genommen und nachdem sie den auf einem Tische niedergesetzten Leuchter herbeigeholt, sah sie die Adresse genauer an.
    »Ja, es ist von ihm! Es ist wahrhaftig von ihm. O, könnte er mir melden, daß der »Viken« nun heimkehren wird!«
    Inzwischen sagte Frau Hansen zu dem Burschen:
    »Du kommst ja gar nicht herein?
    – Nun, auf eine Minute. Ich muß noch heut’ Abend zu Hause zurück sein, da ich morgen früh einen Schußkarren zu fahren habe.
    – So nimm wenigstens den Auftrag mit, Joël zu sagen, daß ich morgen selbst kommen würde; er soll mich erwarten.
    – Morgen Abend?
    – Nein, im Laufe des Vormittags. Jedenfalls soll er Moel nicht verlassen, ehe er mich getroffen hat. Wir werden dann zusammen nach Dal zurückfahren.
    – Abgemacht, Frau Hansen.
    – Na, willst Du nicht einen Tropfen Branntwein?
    – Mit Vergnügen!«
    Der junge Bursche hatte sich dem Tische genähert und Frau Hansen ihm ein wenig

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