Ein Lottogewinn und 8 Millionen andere Probleme
»Ich hab im Lotto gewonnen, Raf!«
»Im Lotto ? « Es klang, als hätte er das Wort noch nie gehört. Offenbar kam er wirklich von einem anderen Planeten.
»Ich hab den Jackpot geknackt. Ich hab sechs Richtige mit Zusatzzahl. Ich hab gewonnen.«
»Aha. Wie viel denn?«, fragte er mit todernstem Gesicht.
Ich brach in hysterisches Gelächter aus. »Ich habe … ich bin … ich bin Millionärin! Ich habe acht Millionen Pfund gewonnen!« Ich kicherte wie eine Irre, packte ihn an den Schultern und wirbelte ihn herum – bis ich merkte, dass er versuchte, sich loszumachen. Ich schlug die Hand vor den Mund. Ich konnte nicht aufhören zu lachen, aber ich hatte jetzt auch Tränen in den Augen.»Tut mir leid … es ist so aufregend … ich kann nicht klar denken …«, quiekte ich wie ein Ferkel.
»Das ist ja wirklich aufregend. Ich freu mich für dich«, sagte Raf mit ausdrucksloser Stimme. »Du musst deine Eltern anrufen. Die freuen sich bestimmt auch.«
Inzwischen heulte ich richtig. Pokerface und Facebook-Checker waren wieder zu ihren Plätzen gegangen und räumten ihre Sachen zusammen.
»Ich kann meine Eltern nicht anrufen«, schluchzte ich. »Meine Mutter hat mich gerade rausgeschmissen. Sie will nichts mehr mit mir zu tun haben. Sie hasst mich!«
Raf machte ein entsetztes Gesicht. War er damit überfordert, dass ich ihm mein Herz ausschüttete (so wäre es Jack gegangen), oder war er erschüttert, wie gemein Paula zu mir war (da hatte er ganz recht)? Er drehte sich nach den beiden Typen um.
»Wir schließen. Jetzt sofort.«
Pokerface war sowieso schon halb zur Tür raus, aber Facebook-Checker fing an zu diskutieren.
»Ich habe noch vierzig Minuten. Die habe ich bezahlt. Ich beschwere mich beim Besitzer.«
Raf sah ihn nur an. Sein Gesichtsausdruck war … Furcht einflößend. Als könnte er mit Blicken töten.
Dann schüttelte er den Kopf und kramte einen zerknüllten Fünfer aus der Hosentasche.
»Nimm und dann ist gut! Es ist ein Notfall.«
Facebook-Checker steckte das Geld ein, griff sich seine Tasche und zog ab. Raf schloss hinter ihm zu und ließ die Jalousie herunter.
Ich beruhigte mich allmählich. Nur ab und zu entfuhr mir noch ein abgerissener Schluchzer.
Raf gab mir ein sauberes Papiertaschentuch und legte mir den Arm um die Schulter.
»Das wird schon wieder«, sagte er sanft … geradezu hypnotisierend. Ich musste an den Film denken, in dem Robert Redford wilde Fohlen zähmt, indem er ihnen zärtlich ins Ohr schnauft. Der Pferdeflüsterer heißt der Film. Mum muss jedes Mal heulen, wenn sie ihn sieht. Ich wünschte mir, Raf würde mir auch zärtlich ins Ohr schnaufen.
Ich putzte mir die Nase. »Tschuldigung. Du hältst mich bestimmt für verrückt.«
Er streckte die Hand aus, aber so, als wüsste er nicht recht, was er tat, und strich mir eine Locke hinters Ohr. Dabei berührten seine Finger meine Wange.
»Du bist nicht verrückt«, sagte er. »Du stehst unter Schock. Schließlich ändert sich jetzt dein ganzes Leben. Und der Streit mit deiner Mutter – der ist bestimmt bald vergessen.«
Seine Hand lag auf meinem Haar, sein Arm immer noch um meine Schulter. Ich hielt die Luft an. Sein warmer Atem streifte meine Wange. Er beugte sich über mich … sah mir tief in die Augen … würde er mich jetzt küssen?
Jemand hämmerte an die Tür. Raf ließ mich los, als hätte er sich verbrannt.
Die Tür flog auf. Ein Mann mit einem Schlüsselbund stürzte herein und brüllte: »Was soll das? Warum ist abgeschlossen?«
Der Mann sah Raf sehr ähnlich. Er hatte das gleichedunkle Haar, die gleiche helle Haut und die gleichen grauen Augen mit den dunklen Ringen darunter, aber er war kräftiger gebaut und hatte einen Dreitagebart. War er Rafs großer Bruder? Oder sein (ungewöhnlich junger) Vater? Ich schätzte ihn auf irgendwas zwischen Dreißig und Vierzig. Jedenfalls war er der Leitwolf im Werwolfrudel und so wütend, dass er sich jeden Augenblick verwandeln konnte.
Ich erschauerte. Er hatte mich bemerkt.
»Ach so ist das«, sagte er belustigt, ja spöttisch. »Du hast Besuch von deiner Freundin. Da ist dir natürlich entfallen, dass wir bis nachts um zwei geöffnet haben.«
Der Typ war mir auf Anhieb unsympathisch. Raf hatte die Fäuste geballt und schaute weg. Die Luft war geladen. Würden sie sich jetzt prügeln?
»Du weißt auch nicht alles , Jasper«, sagte Raf schließlich. »Und über mich weißt du schon gleich gar nichts .«
Die beiden funkelten einander wütend an, dann sagte
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