Ein Mann für alle Fälle
Wesen waren, und er dankte seinem Schöpfer ein weiteres Mal dafür, dass er ihn als Mann hatte auf die Welt kommen lassen.
Sobald sie sich wieder gesetzt hatte, versuchte er seine Aufmerksamkeit auf ihr Anliegen zu konzentrieren.
Sie blinzelte einmal kurz und sah ihn dann mit ihren großen braunen Augen an. „Was ich Ihnen jetzt erzähle, ist streng vertraulich.“
„Das ist für mich eine Selbstverständlichkeit. Glauben Sie vielleicht, hier kommt jemand rein und sagt, hören Sie zu, ich möchte, dass es alle Welt erfährt?“ Mitch zog einen Schreibblock zu sich heran und angelte sich aus einer Blechdose einen Kugelschreiber. „Vielleicht verraten Sie mir zuerst einmal Ihren Namen.“
„Mae Sullivan“, sagte sie, und er schrieb es nieder.
„Und was ist Ihr Problem?“
Sie starrte ihn an. „Irgendjemand scheint meinen Onkel ermordet zu haben.“
Ihr Ton war viel zu schnippisch, um sexy zu sein. Außerdem war es ihm sowieso nicht möglich, verärgert und erregt zugleich zu sein. Es hätte ihm eine viel zu große Menge an Energie abverlangt. Und die brauchte er, um die Hitze ignorieren zu können, die im Zimmer herrschte. „Ermordet. Aha. Nun, Sie wissen ja sicher, dass wir eine hervorragende Polizei haben. Haben Sie die Leiche schon gemeldet?“
„Die Beerdigung ist übermorgen.“
„Dann weiß die Polizei ja bereits Bescheid.“
„Sie ist nicht interessiert.“ Gelassen begegnete sie seinem Blick. „Und Sie?“
Mitch überlegte. Offenbar gab es für ihn nur eine Alternative zu der schmutzigen Wäsche, die er ein Jahr lang in Scheidungsangelegenheiten hatte hervorkramen müssen: Mord. Er seufzte. „Ja. Wahrscheinlich wird es mir hinterher leidtun, aber egal. Ja, ich bin interessiert.“
Sie schlug aufreizend die Beine übereinander.
Lügen war nicht unbedingt eine von Maes stärksten Seiten, aber man konnte doch, wie sich nun zeigte, allerhand damit ausrichten. Mitchell Peatwick, vollkommen groggy von der brütenden Hitze, hing in seinem Stuhl, grinste sie träge an und erweckte den Eindruck, dass er nicht mal dann den kleinen Finger gerührt hätte, wenn sie damit herausgerückt wäre, seit Jahren auf den Fahndungslisten der Polizei zu stehen. Solange er den Mund hielt, fand sie ihn gar nicht mal so übel. Der Malteser Falke? Was für ein Träumer!
Nun, ihr konnte es nur recht sein. Einer, der von großen Abenteuern träumte, würde ihr die Geschichte von dem Mord und dem Tagebuch eher abkaufen als jemand, der realistischer war. Und so unmöglich erschien er ihr nun auch wieder nicht. Seine Kleidung war zwar nicht gerade hip, und ein Besuch beim Friseur stand auch wieder mal an - im Moment hing ihm eine Locke seines blonden Haars fast bis in die Augen und sein Kinn konnte sie nur als ausgesprochen kantig bezeichnen. Na wenn schon. Insgesamt wirkte er ausgesprochen männlich, mit breiten Schultern und schmalen Hüften, und wenigstens gehörte er nicht zu den Typen, die stets ein Goldkettchen um den Hals trugen. Wenn er grinste, strahlte er diesen überwältigenden MachoCharme aus, bei dem man als Frau gelegentlich ins Zweifeln geriet, ob man sich mit der Emanzipation nicht vielleicht doch noch ein bisschen Zeit hätte lassen sollen.
Aber wehe, wenn er den Mund aufmachte! Dann war es für all die Frauen, die eben noch fast schwach geworden wären, an der Zeit, sich nach dem nächsten Laternenpfahl umzusehen, an dem sie ihn aufknüpfen könnten. Wenn er einfach nur geschwiegen hätte …
Egal, dachte sie, schließlich habe ich ja genau so einen Trottel gesucht.
„Erzählen Sie mir von Ihrem Onkel“, forderte er sie geduldig auf.
War das ein Funken von Mitgefühl, was da in seinen Augen aufblitzte? Plötzlich verspürte sie ein leises Schuldgefühl, weil sie ihn benutzte. Natürlich nur, wenn sie sich nicht getäuscht hatte. Vielleicht hatte er ja auch bloß einen Kater.
„Er ist ermordet worden.“ Mae lehnte sich etwas vor - nur ein wenig, sodass ihre Brüste unter der Kostümjacke leicht in Bewegung gerieten, wobei sie sich allerdings bemühte, die Sache nicht zu übertreiben. Oft bekamen Männer dann diesen seltsam glasigen Blick, vor dem es ihr grauste. Sie sah Mitch an. Da war nichts Glasiges. Na dann, Vollgas voraus. „Aber mir glaubt niemand.“
„Die Polizei auch nicht?“
Mae zog alle Register, um so verletzt und schutzlos auszusehen wie möglich, weil sie ihn als einen Mann einschätzte, der auf so etwas ansprach. „Ich war nicht bei der Polizei. Sie würden mir erst
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