Ein Mann - Kein Wort
sowie der zu überwindenden Hemmungen. Und natürlich gibt es auch die anderen – die Frauen, die ihr persönliches Empfinden hermetisch vor der Umwelt abriegeln, möglicherweise auch gar keinen Zugang (mehr) zu diesem Empfinden haben. Die Frauen, die nie gelernt haben, offen über sich selbst zu sprechen, ihre Bedürfnisse und Empfindungen anderen gegenüber klar zu äußern – oder die es verlernt haben.
Möge sich also kein Mann und keine Frau von dem, was ich im Folgenden schreibe, pauschal beurteilt oder gar persönlich angegriffen und infrage gestellt sehen!
Wer über eine Gruppe von Menschen schreibt – in diesem Fall vorwiegend
die Männer
–, kommt nicht umhin, zu verallgemeinern. Manches wird damit vergröbert und vereinfacht dargestellt, zweifellos. Manches fällt unter den Tisch, keine Frage. Doch wer diese Nachteile umgehen möchte, darf nur ausgesuchte Einzelfälle darstellen – was ein Buch nicht unbedingt interessanter und schon gar nicht aussagekräftiger macht.
Wenn Sie, lieber Leser oder liebe Leserin, eindeutig zu den »Sprachfähigen« gehören, die ohne Probleme mit einer Person ihres Vertrauens über ihre intimen Gefühle und ihre persönlichen Beziehungen reden können: herzlichen Glückwunsch! Sie sind nicht gemeint. Aber vielleicht kennen Sie jemanden, dem dieses Buch guttun würde.
Sollten Sie jedoch nicht zu jenen, wie Goethe es nennt, von Gott Begabten gehören, die diese Sprachfähigkeit besitzen, so wünsche ich Ihnen, dass Sie nach der Lektüre dieses Büchleins zumindest einesbegriffen haben: Es lohnt sich unbedingt, die eigene emotionale Sprachfähigkeit zu entwickeln. Es lohnt sich um Ihrer selbst willen – aber auch um all der Menschen willen, die Sie wirklich lieben. Ihre Erlebniswelt wird vielfältiger und intensiver, Ihr Verständnis für andere Menschen erweitert sich, Ihre Fähigkeit zur Anteilnahme und Einfühlung nimmt zu. Und nicht zu vergessen: Ihre Kompetenz, sich selbst klar und deutlich mitzuteilen – auch, was Gefühle und Bedürfnisse anbelangt –, wird sich steigern. Ja, wenn es stimmt, dass liebevolle Beziehungen und das Erlebnis von Anerkennung, Wertschätzung, Verbundenheit und Vertrauen das Wichtigste in unserem Leben sind (wovon ich überzeugt bin), dann kann man ohne Übertreibung sagen: Wer lernt, mit einigen anderen Menschen nicht nur das äußere, sondern auch das innere Leben zu teilen, nicht nur die Erfolge, sondern auch das Scheitern, nicht nur die Freude, sondern auch den Schmerz »mit-zu-teilen«, der wird einen spürbaren Zuwachs an Reife, Glück und Lebensqualität erfahren.
1. »Caveman« oder: Die Steinzeit lebt!
»Ich kann mit meinem Freund zwei Stunden durch die Gegend fahren und nichts reden. Das kann ich mit meiner Frau nicht.« – »Aber warum fahren Sie dann nicht allein?« – »Weil es so schön ist, gemeinsam in eine Richtung zu schauen.«
D IALOG ZWISCHEN EINEM M ANN UND DER A UTORIN
Seit Jahren sieht man sie strömen – Hunderte, ja inzwischen sicher Tausende von Männern und Frauen aller Altersgruppen und Bildungsschichten, die nur ein Ziel haben: Sie wollen das Stück »Caveman« 2 in einem Stuttgarter Theater sehen. Karten müssen Monate im Voraus bestellt werden, so wurde auch mir mitgeteilt. Und eines Tages war es so weit: Auch ich tauchte ein in die Welt des Höhlenmenschen (engl. »caveman«), dargestellt von einem gut aussehenden, kräftig gebauten, agilen Mittvierziger namens Tom.
Das Stück beginnt mit einem Paukenschlag: Während »er« (Tom) mit seinem Freund vor der Haustür per Handy telefoniert, wird er von seiner Lebensgefährtin (Heike) mit Sack und Pack vor eben diese Türe gesetzt. Erst entgeistert, dann hilflos und empört steht er, ausgesperrt und weggeschickt, vor seinen Habseligkeiten – und nimmt das Ereignis als Anlass, um die folgenden zwei Stunden in einsamen, aber ungemein redseligen Monologen über die Unterschiede zwischen Männern und Frauen zu philosophieren.
Der Kern dieser Ausführungen, den er in unzähligen Wiederholungen und garniert mit vielen urzeitlich klingenden Grunz- und Brummlauten dem Zuschauer geradezu einbläut, besteht in der These: Mann und Frau haben sich seit der Steinzeit in ihrer Veranlagung und damit auch in ihrem Verhalten nicht grundlegend verändert.
»Er« ist immer noch der Jäger, der auf die Jagd geht und vor allem darauf aus ist, Beute zu machen. »Sie« ist immer noch dieSammlerin – nur dass sie heute eben nicht mehr Beeren und Pilze, sondern zum
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