Ein Mann wie Mr Darcy
meine Finger auf einen Wollstoff stoßen, der aussieht wie ein Mantel, aber in Wahrheit … »ein Cape«, ende ich.
»Ein Cape?«, quietscht Stella. »Oh mein Gott, die haben diese Capes? Ich liebe diese Capes. Seit Wochen suche ich danach im Internet, aber keiner will international versenden und -« sie unterbricht sich, um Luft zu holen. »Ich würde einen Mord begehen, um an so ein Ding zu kommen.«
»Na ja, das ist einer der Gründe, warum ich angerufen habe. Ich wollte dir ein Geschenk kaufen. Als Dankeschön für das Kleid …«
Nach dem Wort »Geschenk« geht der Rest meines Satzes in einem neuerlichen Aufschrei unter.
»Ein Geschenk? Für mich? Von Topshop?« Sie spricht das Wort mit jener atemlosen Ehrfurcht aus, die normalerweise der Religion vorbehalten ist. Andererseits ist Mode Stellas Religion. Außerdem erzählt sie mir immer, Marc Jacobs sei ein Gott.
»Oh, Em, ich weiß nicht, was ich sagen soll …«
»Hey, hör zu, du brauchst nichts zu sagen. Ich weiß, dass du mein heimlicher Weihnachtsmann warst.«
Am anderen Ende herrscht Schweigen. Dann -
»Dein was?«
»Ich weiß, dass du es warst, die mir dieses wunderschöne Ballkleid geschickt hat«, fahre ich fort und schaue die Ständer mit den Capes durch.
»Aber ich hab dir kein Kleid geschickt«, protestiert Stella verwundert.
Ich spüre Zweifel aufkommen, die ich jedoch eilig beiseiteschiebe. »Stella, komm schon, ich weiß, dass es ein Geheimnis bleiben sollte, aber du kannst es ruhig zugeben.«
»Hör zu, ich wünschte wirklich, ich hätte es getan, aber im Ernst, Em, ich war es nicht. Ich habe ein schrecklich schlechtes Gewissen, weil ich dieses Jahr überhaupt nichts für dich hatte und du mir diese schöne Duftkerze geschickt hast.«
Ich halte inne. Ich habe jahrelange Erfahrung mit Stellas falschen telefonischen Krankmeldungen, wenn sie einen Kater hatte, um genau zu wissen, wann sie lügt. Aber diesmal tut sie es nicht.
»Aber ich habe dir doch eine Nachricht hinterlassen, um mich bei dir zu bedanken.«
»Ach, darum ging’s?«, sagt sie leichthin. »Ich weiß noch, dass du ein Kleid erwähnt hast, aber ich konnte kaum verstehen, was du gesagt hast, also habe ich die Nachricht gelöscht.«
In Gedanken gehe ich die Liste der möglichen geheimen Weihnachtsmänner durch. Bis jetzt habe ich keine Ahnung, wer es sein könnte.
»Aber wenn du es nicht warst, wer dann?«, will ich wissen. »Ich meine, wer sonst würde mir so ein tolles Kleid schicken?«
»Keine Ahnung«, antwortet Stella ungeduldig, und ich sehe sie förmlich vor mir, wie sie auf der Bettkante sitzt, das Telefon zwischen Ohr und Schulter geklemmt, und sich verzweifelt danach sehnt, das Gespräch wieder auf ihr Cape lenken zu können.
»Deine gute Fee vielleicht?«
Ich will sie gerade auslachen – ha, ha, sehr witzig -, als ich mich an Miss Staenes Worte auf dem Ball entsinne. »Was für ein schönes Kleid. Die Farbe steht Ihnen. Sie unterstreicht Ihre Augenfarbe.«
Damals hatte ich mir nicht viel dabei gedacht, dass Miss Staene mir so viel Aufmerksamkeit widmete, doch als ich nun darüber nachdenke, fällt mir auf, dass sie einiges Interesse für mein Kleid an den Tag gelegt hat. Und dann war da noch die seltsame Art, wie sie mich angeschaut hat …
Nein, das ist doch lächerlich. Warum um alles in der Welt sollte meine Reiseleiterin mir ein Ballkleid kaufen? Ich meine, Himmel, ich bin doch nicht Aschenputtel. Warum sollte sie gewollt haben, dass ich zu dem Ball gehe? Ich erinnere mich an unser Gespräch:
»Hat mir eine Freundin zu Weihnachten geschenkt.«
»Was für ein Glück für Sie. Ich bin sicher, Sie werden heute Abend großen Erfolg bei den Gentlemen haben.«
»Oh, ich bin nicht darauf aus, jemanden kennen zu lernen.«
»Unfug. Um Jane Austen zu zitieren: ›Lass mich Dir sagen, wie schon so oft, überstürze nichts, der richtige Mann wird zuletzt noch kommen.‹«
Damals war mir, als würde sie auf Mr. Darcy anspielen, doch vermutlich hätte sie ebenso gut Spike meinen können …
Mist. Ich hab es schon wieder getan. An Spike gedacht, obwohl ich mir doch vorgenommen hatte, es nicht mehr zu tun. Genau. Schluss jetzt! Ich werde diesem Geheimnis später auf den Grund gehen. Entschlossen wende ich meine Aufmerksamkeit wieder dem Telefon zu.
»Okay, welche Größe hast du bei einem Cape?«, frage ich Stella, die immer noch mit angehaltenem Atem am Telefon hängt.
Ein neuerliches Quieken dringt an mein Ohr, ehe sich ein Wortschwall über mich
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