Ein Mann wie Mr Darcy
ergießt: »Also, eigentlich habe ich ja Größe O, aber nur hier in den Staaten, in England gibt es ein völlig anderes Größensystem …«
Am Ende kaufe ich für Stella das Cape und dazu drei Union-Jack-G-Strings. Auch für mich kaufe ich ein paar Sachen – wobei ich nicht einmal versuche, mich auf mein eigenes Urteil zu verlassen. Sogar ohne Stellas Erinnerung daran, dass ich eine absolute Mode-Niete bin, weiß ich es besser. Stattdessen nehme ich die Dienste eines der persönlichen Einkäufer des Ladens in Anspruch. Ein persönlicher Einkäufer! Ich wusste nicht einmal, dass es so etwas überhaupt gibt!
›Sieh sich das einer an!‹, denke ich, als ich mich auf dem Weg hinaus auf der Rolltreppe im Spiegel sehe. Ich habe einen Hals. Und eine Taille! Und all diese wunderbaren Sachen, die so gut kombinierbar sind und perfekt zusammenpassen. Ich trage eines der Outfits, die mein persönlicher Einkäufer für mir zusammengestellt hat: hautenge Jeans (jawohl, ich. In hautengen Jeans!), einen zinngrauen Jumper (ja, ich bin inzwischen so gut wie Engländerin. Das Wort Pulli werde ich nie wieder benutzen), ein paar hübsche schwarze Stiefeletten mit diesen kleinen Bündchen zum Umschlagen und die tollste, leuchtend kanariengelbe Caban-Jacke, die man sich nur vorstellen kann.
Ich denke an Stella und Cat. Sie hatten Recht. Ich fühle mich tatsächlich wie ein neuer Mensch. Ich lächle in mich hinein, als ich mir Stellas Reaktion vorstelle. Sie wird ausflippen und glauben, ich hätte mich einer Hirntransplantation unterzogen statt Urlaub gemacht.
Als neugeborene – wenn auch deutlich ärmere – Frau trete ich auf die Oxford Street hinaus. Okay, was jetzt? Ich zögere. Ich könnte eine Kleinigkeit essen. Allerdings habe ich all diese Gurkensandwiches verdrückt und bin eigentlich nicht hungrig.Vielleicht sollte ich mir noch eine Kunstgalerie ansehen, aber, wie gesagt, bin ich in Wahrheit nicht in der Stimmung, mir Bilder anzusehen.
Oder ich könnte Spike besuchen.
Mein Magen zieht sich zusammen, und meine Brust wird mit einem Mal eng. Den ganzen Tag habe ich versucht, nicht an ihn zu denken, doch die Stimme meldet sich immer wieder laut und deutlich in meinem Kopf zu Wort. Ich ignoriere sie.
Stattdessen könnte ich doch in ein paar Buchhandlungen herumstöbern.Vielleicht ist Charing Cross hier irgendwo in der Nähe. Dort wollte ich schon immer mal hin, seit ich diesen Film mit Anthony Hopkins und Anne Bancroft gesehen habe.
Er arbeitet in London. Die Redaktion der Daily Times kann nicht allzu weit weg sein. Du könntest einfach ein Taxi nehmen.
Hör auf. Ich werde Spike nicht besuchen gehen. Das hat doch keinen Sinn.Wie gesagt, ich werde ihn einfach vergessen.
Nur, dass mein Gedächtnis andere Pläne hat. Als hätte ich auf einem Kassettenrekorder in meinem Kopf auf ›Play‹ gedrückt, höre ich wieder Miss Staenes Stimme:
»Vorurteile können schrecklich sein, Emily. Ebenso wie Stolz. Sie wissen ja, Jane Austen hat ihre Heldinnen immer recht resolut gestaltet, sie beharrten auf ihren Prinzipien, verfolgten ihre Ziele, fürchteten sich nicht davor, zuzugeben, wenn sie sich geirrt hatten. Nichts zu tun, kann schlimmer sein, als etwas Falsches zu tun.«
Ich sehe ein schwarzes Taxi auf mich zufahren, dessen gelbes Licht eingeschaltet ist. Ich sehe, wie es näher und näher kommt. Jeden Moment wird es an mir vorbeisausen.
Ich strecke den Arm aus. Im allerletzten Augenblick reißt der Fahrer das Steuer herum und hält am Bordstein. Schnell drückt er die Tür auf, und ich steige ein.
»Wohin, Schätzchen?«
Der Fahrer schaut mich im Rückspiegel an.
Mein Herz hämmert. Mir ist beinahe schlecht, so nervös bin ich.
»Zur Daily Times, bitte.«
Sechsunddreißig
I ch stehe vor einem dieser modernen Metallschilder, deren Aufschrift nicht aufgedruckt, sondern dezent geprägt ist: THE
DAILY TIMES.
Hätte mich der Taxifahrer nicht darauf aufmerksam gemacht, wäre es mir wohl nicht einmal aufgefallen, aber wahrscheinlich hat die Zeitung hier schon seit Jahren ihren Sitz, und dies ist ihre Art, zu sagen: ›Wir sind so berühmt, dass wir kein richtiges Schild brauchen. Man müsste schon ein Idiot sein, um nicht zu wissen, dass dies hier das Redaktionsgebäude der Daily Times ist.‹
Was meine leichte Nervosität in beginnende Paranoia umschlagen lässt.
Ich kontrolliere (noch einmal) mein Spiegelbild, hole tief Luft und öffne die Türen aus Stahl und Glas. Im Foyer ist alles in schwarzem Marmor
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