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Ein Mann will nach oben

Ein Mann will nach oben

Titel: Ein Mann will nach oben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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Augen ist! Leider bin ich kein ganz unbekannter Mann, gerade unsere letzte Aktion hat viel Stunk gemacht … Eins tut mir nur leid, mein Sohn Karl, daß wir nämlich die Sache mit deiner Frau nicht wieder in Ordnung gekriegt haben. Sie glaubt steif und fest, du bist feige vor ihr ausgerissen –«
    »Das bin ich vielleicht auch. Hätte ich nicht an jenem Abend eine Aussprache mit ihr vor mir gehabt, wäre ich vielleicht gar nicht mitgefahren. Sie haben keine Schuld, Dumala, ich hatte die Karre schon längst verfahren.«
    Eine Weile gingen die beiden schweigend nebeneinander her, dann sagte Dumala: »Komm, Sohn Karl, ich bringe dich jetzt zurück bis vor ihre Tür, geh gleich hin und sprich mit ihr. Sie hat lange genug auf dich gewartet.«
    »Jetzt? Abends um elf Uhr?«
    »Natürlich, jetzt. Jetzt sofort. Zu solchen Gesprächen taugt die Nacht immer am besten!«
    »Aber ich kann ihr nur sagen, daß ich mit ihrem Scheidungsbegehren einverstanden bin.«
    »So sage es ihr. Aber sage es ihr selbst! Ich habe dich damals von ihr fortgeholt, so will ich dich auch zu ihr zurückbringen.« Damit hatte sich Dumala schon in Marsch gesetzt, und ohne ein weiteres Wort gingen die beiden zurück in dieEichendorffstraße. »So, mein Sohn«, sagte Dumala hier und löste seinen Arm aus dem des jungen Freundes. »Da wären wir also. Wenn ich mich nicht irre, ist es das dritte Haus, von hier gerechnet. In dem einen Fenster scheint noch Licht zu sein. Laß es dir gutgehen, mein Lieber, für die nächsten Jahre kennen wir uns nun nicht mehr. Gute Nacht!« Er tippte gegen den Rand seines weichen Filzhutes, der so gar nicht zu seinem dicken Kopf paßte, und ging eilig, ohne sich noch einmal umzusehen, völlig sicher, daß sein Befehl auch ausgeführt wurde.

85. Heb sie doch auf!

    Wie einstens stand er wieder unter der Laterne, ein Heimkehrer mit einem Pappkarton unter dem Arm, und sah lange nach dem erleuchteten Fenster hinüber. Aber die Tür tat sich nicht wie einstens von selber auf, nicht wie damals kam eine leichte Gestalt über den Fahrdamm in seine Arme gelaufen. Schritt für Schritt mußte er dem Fenster näher gehen, und jeder Schritt war schwerer als der vorangegangene, und wäre nicht der Dumala gewesen, er hätte vielleicht doch noch einmal kehrtgemacht, er, der sonst wirklich nicht feige war.
    So aber ging er Schritt um Schritt dem matt erhellten Rechteck näher. Nun stand er davor, jetzt hob er die Hand und klopfte, leise, einmal, leise, zum zweiten Male, leise, leise ein drittes Mal … Dann stand er da und wartete. Aber die Zeit rückte nicht vor, es ging alles so langsam. Ein Mädchen, ein Mädchen der Eichendorffstraße, strich an ihm vorbei und sah sich nach ihm um und lächelte ihn an, aus ihrem verdorbenen, gedunsenen Gesicht –: da hob er die Hand ein viertes Mal und klopfte rasch und hart.
    Das Mädchen ging mit bösem Kichern weiter, und sofort tat das Fenster sich auf, ein Kopf erschien, und Rieke fragte: »Ja? Wer is denn da?«
    »Karl«, antwortete er leise. »Kann ich dich einen Augenblick sprechen?«
    Still, ohne Antwort verharrte der Kopf im Fenster. Er konnte gegen das Zimmerlicht das Gesicht nicht erkennen, aber sein Gesicht war im Licht der Straße. Dann schloß sich das Fenster wieder, die Gardine glitt vor, im matt erhellten Rechteck war kein Schatten zu sehen.
    Das Mädchen hatte oben an der Ecke beim Stettiner Bahnhof kehrtgemacht und kam wieder auf ihn zu. Als sie ihn immer noch stehen und warten sah, setzte sie die Füße herausfordernder, wippte mit den Hüften, ließ die Handtasche pendeln und warf den Kopf in den Nacken. Sie war bei ihm angekommen, sie blieb vor ihm stehen, sie sagte: »Na, Kleener, will se nich? Von die laß man die Finger, die hat schon zweie, eenen for tags und eenen for die Nacht …« Dann erkannte sie ihn, an der unwilligen, zornigen Gebärde erkannte sie den Nachbarn, den sie so oft gesehen, und sagte: »Ach Jott, entschuldjen Sie bloß, Herr Siebrecht, Sie haben mir so oft in Ihrem Taxi gefahren …« Sie versuchte zu lachen. »Spaß muß sin bei der Leiche«, sagte sie, »sonst kommt keener mit.«
    Er schob sie ungeduldig beiseite, die Ladentür hatte sich eben geöffnet.
    Schweigend ließ ihn Rieke an sich vorbeigehen, schweigend schloß sie wieder die Ladentür, schweigend legte er seinen Karton auf den Schneidertisch. Sie machte keinen Versuch, ihn in die Wohnung zu führen, und auch er machte keinen Versuch, hineinzugehen, schweigend sahen die Eheleute einander lange

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