Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Mensch wie Du

Ein Mensch wie Du

Titel: Ein Mensch wie Du Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
sich umdrehte und auf den Rhein sah, wie ein Verurteilter noch einmal einen Blick auf die Freiheit wirft, bemerkte er nicht das Mädchen, das schnell den Kopf zurückzog und sich hinter den dicken Stamm des Baumes schmiegte. Dann betrat er den Vorgarten und wurde am Eingang von einem Portier empfangen, der hinter einem Telefon thronte und Brötchen aß. Eine Flasche Milch stand daneben mit einem Strohhalm.
    »Wohin?« fragte er kauend.
    »Zu Herrn Professor Glatt.«
    »Bestellt?«
    »Ja. Bitte.« Franz Krone reichte den Brief hin. Der Portier nahm das Schreiben, blickte mißbilligend auf Krone und musterte den zerknitterten Bogen, ehe er las.
    »Aha!« brummte er dann, nahm einen Schluck von der Milch und biß noch einmal in das Brötchen. »Plockwurst«, dachte Franz Krone. »Er ist Plockwurst.«
    »Neues Talent?«
    »Ich weiß nicht. Ich habe mich nicht gemeldet.«
    »Also empfohlen? Ist schon besser, Mann. Ich rufe mal den Alten an.« Er drehte eine Nummer und hielt den Hörer an das Ohr. »Ja, hier Schmitz. Ein Herr Krone, Franz Krone, möchte Sie sprechen, Herr Professor. Was? – Weiß ich nicht – er hat ein Schreiben von Ihnen. Für heute bestellt. Muß wohl stimmen … Gut, ich sage Bescheid.« Er legte auf und sah Franz Krone nickend an. »Kannte Sie gar nicht. Na, dann mal viel Glück! Wer bei Glatt besteht, kann in drei Jahren sich die Opernbühnen aussuchen …« Er nahm wieder einen Schluck aus der Milchflasche unter Mißachtung des in ihr steckenden Strohhalmes und stieß leise auf. »Noch zehn Minuten … Der Professor ist gerade beschäftigt. Geh'n Sie schon mal 'rauf … Erster Stock, vierte Tür links … Da warten Sie, bis man Sie holt. Toi toi toi …«
    Er klopfte Franz Krone auf die Schulter. »Toi toi toi«, sagte. Krone und lächelte zurück. »Wenn du wüßtest, warum ich hier bin«, dachte er. Schnell stieg er die breite Treppe empor und suchte das beschriebene Zimmer. Als er eintrat, war er allein in dem Raum. Es war ein kleines Zimmer. Helle Tapete, am Fenster ein Stutzflügel, vier Stühle, ein Drehstuhl, ein Notenständer, auf dem Boden Linoleum, an der rechten Längswand eine andere Tür, mit Kunstleder gepolstert. »Sicher ein Probenzimmer«, dachte Krone und setzte sich. Die Tasche stellte er neben sich an das vordere Bein des Stuhles; als er die Hände ineinanderlegte, merkte er, daß sie schweißig waren vor innerer Erregung. Er nahm ein Taschentuch heraus und rieb sich die Handflächen trocken. Auf dem Flur klangen Stimmen auf, sie gingen vorüber. Eine Tür klappte, für einen Augenblick hörte man den Gesang einer Baritonstimme. Dann wieder Ruhe, völlige Stille … Aber hinter dreißig schalldichten Türen saßen oder standen die Schüler und gingen ein in das Reich der Melodien, tasteten sich mühsam vor in die Geheimnisse der musikalischen Genies.
    Die gepolsterte Tür ihm gegenüber schwang lautlos auf. Einen Augenblick sah Krone einen großen Raum, einen mächtigen Flügel, dann stand ein mittelgroßer Herr im Zimmer, mit einem wirren, fast ungekämmt wirkenden grauen Haarschopf, der Anzug, beige mit braunen Streifen, war elegant, das seidene Hemd und die Krawatte vertieften den Eindruck einer bewußt getragenen Eleganz.
    Der Grauhaarige musterte kurz den langen Besucher, der bei seinem Eintritt von dem Stuhl aufgeschnellt war und nun in fast strammer, militärischer Haltung vor ihm stand. Ein Lächeln zog über sein Gesicht, als er sagte: »Glatt.«
    »Krone. Franz Krone. Sie hatten mich bestellt, Herr Professor.«
    »Ja. Bitte, kommen Sie in mein Zimmer.«
    »Ich bin nur gekommen, um Ihnen zu sagen …«
    »Bitte, treten Sie ein.« Professor Glatt zeigte auf die Tür. Er ließ Krone vorgehen und zog hinter sich die gepolsterte Tür wieder zu. In dem großen, fast leeren Raum mit den hohen Fenstern, die hinaus auf den Garten gingen, stand eine Frau. Sie lehnte an einem der Fenster und sah Franz Krone entgegen, der sich leicht zu ihr hin verbeugte. Sie erwiderte dies mit einem freundlichen Kopfnicken. Sie war hübsch. Unter kurzen, schwarzen Haaren brannten dunkle, große Augen. Die schlanke, wohlgeformte Figur wurde von einem Sommerkleid eingehüllt, das eng und tief ausgeschnitten den Wuchs unterstrich. Der Ansatz ihrer Brust war durch eine dünne Goldkette unauffälliger geworden. Die langen schlanken Beine staken in hellbraunen Schuhen mit unwirklich dünnen, hohen Absätzen.
    Professor Glatt kam um Franz Krone herum und nickte der Dame am Fenster zu. »Die Dame stört

Weitere Kostenlose Bücher