Ein Mensch wie Du
billiger.«
Ach ja – es war ja Sonntag! Franz Krone schaute in den blauen Himmel. Schon wieder Sonntag … Er spürte den Ablauf der Woche gar nicht in dem gleichen Rhythmus seines Lebens. Er schlief, erhob sich beim Morgengrauen, begann still seine Arbeit, unterbrach sie nur zu den Mahlzeiten, die er sich selbst bereitete, und wenn es dunkel wurde, wenn das letzte Beet gesprengt und gejätet, die letzte Blume beschnitten, festgebunden oder gedüngt war, wenn die Pflanzenkästen leer waren und die Mistbeete gut abgedeckt, ging er zurück zu seinem Bett und schlief bis zum Morgengrauen. Nur am Sonntag, da kam Greta Sanden, und so merkte er, daß es Sonntag war, ein wirklicher Sonntag, ein stiller Feiertag seines Herzens … Und dann sang er und freute sich selbst über seine Stimme, die anders war als alles, was sein Leben formte.
»Du siehst braun aus«, sagte Greta und legte Franz die kleine, weiße Hand auf den Arm.
»Wenn man den ganzen Tag draußen ist …« Er sah an sich hinunter, und jetzt störte ihn seine werktägliche Arbeitskleidung. »Du, ich ziehe mich schnell um, ja? Ich mache den Laden zu, und wir fahren hinaus nach Brühl und trinken auf der Schloßterrasse eine Tasse Kaffee. Einverstanden?«
»Einverstanden.«
Er erhob sich und wollte in das Haus gehen, aber dann blieb er plötzlich stehen und wandte sich zur Bank um.
»Greta«, sagte er leise. »Haben wir nicht etwas vergessen?«
»Ich glaube ja.«
Er ging zur Bank zurück und beugte sich über das blasse, schmale Gesicht, das sich ihm entgegenhob. Die Augen waren geschlossen, die Wimpern zitterten, die Nasenflügel … Da küßte er sie, kurz nur, aber in tiefem Glück. Er umfaßte ihre Schulter und zog sie zu sich empor. »Wie leicht sie ist«, dachte er, »federleicht; ich kann sie auf meinen Händen tragen und spüre es kaum. – Greta«, sagte er leise, und seine Stimme war spröde, weil die Erregung in ihr schwang, »Greta – es ist so schön, daß heute Sonntag ist …« Er küßte sie wieder und war erfüllt von der Hingabe, mit der sie in seinen Armen lag.
Wenig später fuhren sie nach Brühl.
Greta saß auf dem Soziussitz des Motorrades, das Franz Krone vorsichtig über die unebene Straße steuerte, vorbei an den Bauernhäusern und den grünen Feldern, den Tulpengärten und Narzissenbeeten, mit denen die Häuser umgeben waren. Greta hatte die Arme um die Hüften des Fahrers geschlungen, ihr glückliches Gesicht lehnte an dem breiten Rücken – so fuhren sie langsam durch das blühende Land.
Kurz vor Brühl hielt Franz an, und sie standen auf einem kleinen Hügel und blickten hinüber auf das breit vor einem Park gelagerte Barockschloß, den Prunkpalast der ehemaligen Fürstbischöfe von Köln. Auf den Terrassen spiegelte die Sonne … Von einer Kaffeewirtschaft herüber leuchteten bunte Tischtücher und einige Sonnenschirme … Auf der Straße von Köln her schoben sich die Kolonnen der Wagen heran, Autobusse, Zeppelinen vergleichbar mit gläsernen Kanzeln, in denen sich die Sonne brach, kleine Wagen, eingehüllt in den Staub der vor ihnen dröhnenden mächtigen Reifen, dazwischen Motorräder, Fahrräder, einsame Fußgänger – eine Völkerwanderung in die Sonne, ein mechanisierter Schrei nach Luft, ein babylonischer Turm von Sonnen- und Erlebnishunger.
Greta und Franz standen auf der Anhöhe und schauten auf das Gewimmel zu ihren Füßen. »Wie ein Heer ausgehungerter Termiten«, sagte er langsam. Greta nickte. »Termiten«, dachte sie. »Was ist das?« Aber sie nickte, weil er es sagte, und sie bewunderte wieder seine Klugheit und schmiegte sich an ihn.
»Wollen wir da hinunter?« fragte sie kläglich. »In dieses Heer schwitzender Menschen? Bleiben wir doch hier, Franz … Hier, ganz allein … Hier ist es schön!«
Franz Krone nickte und stellte das Motorrad etwas abseits in den Schatten einer Kastanie, deren weiße Blütenkerzen verwelkten und die ihre Blütenblätter wie Schnee über das Grün der wuchernden Wiese schüttete. Hier setzten sie sich ins Gras und sahen hinüber auf die steinerne Kunst längst vergangener Jahrhunderte, auf die sinnenfrohe und doch schwere Eleganz des barocken Schlosses.
Greta lehnte den Kopf an Franz' Schulter und nahm mit glücklichem Lächeln seine streichelnde Liebkosung hin. »Warum fährst du eigentlich nicht nach Köln?« fragte sie, als er den Arm um ihre Schulter legte.
»Was soll ich in Köln? Ich ersticke in diesem zertrümmerten Steinhaufen. Ich bekomme keine Luft mehr,
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