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Ein Menü zum Verlieben: Roman (German Edition)

Ein Menü zum Verlieben: Roman (German Edition)

Titel: Ein Menü zum Verlieben: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amy Bratley
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Fingerzeig, vorsichtig mit meinem Herzen umzugehen.
    Hör auf, an diesen Kerl zu denken!, ermahnte ich mich.
    Ich hob die Einkaufstüten hoch und bog in die Elsie Road ab, die Straße, in der ich wohnte. Meine Wohnung war klein, mit Garten, und befand sich in einem umgebauten Viktorianischen Haus, das mich an eine Bonbonmischung erinnerte, da der vorherige Besitzer das nötige Kleingeld besessen hatte, die Fassade blassblau und die Fensterrahmen weiß zu streichen. Auch wenn ich die Grünfläche hinter meiner Wohnung als Garten bezeichne, hatte dieser eher die Größe eines Handtuchs, auf dem zwei Töpfe mit blühendem Lavendel und ein einsamer Apfelbaum standen, dennoch liebte ich meine Wohnung und lebte dort zusammen mit meinem Kater Banjo.
    In den letzten beiden Jahren war es mein Zuhause geworden, was unter anderem an den mit Pfefferminze, Schnittlauch und Thymian bepflanzten Blumenkästen und der Art-déco-Türklingel aus Messing lag, auf der eingeprägt Drücken stand. Ich kannte sogar einige Nachbarn, was für London sehr ungewöhnlich ist, zumeist junge Familien, deren Wohnzimmer vollgestopft waren mit Babysachen. Ich hielt den Atem an, als ich an einer übervollen Mülltonne vorbeiging, die anscheinend nie geleert wurde und in der Hitze fürchterlich stank. Völlig verschwitzt und mit widerlichen schwarzen Gewitterfliegen auf den nackten Armen, erreichte ich meine Wohnung und schloss die Tür auf.
    »Hallo!«, rief ich, schleuderte meine Sandalen in eine Ecke und hob die Einkaufstüten auf die Küchentheke. »Joe? Wo bist du?«
    Mein Blick wanderte durch die Küche, und sofort hob sich meine Stimmung, denn sie war von allen Räumen in der Wohnung derjenige, den ich am liebsten mochte. Auch wenn sie sehr klein war, war sie perfekt geschnitten und verbarg in ihren Schränken alles, was mir lieb und teuer war. Selbst im Sommer ging eine angenehme Kühle von ihr aus. Die Wände waren strahlend weiß gestrichen. Die Regalböden eines eingebauten Vitrinenschrankes bogen sich unter dem Gewicht meiner geliebten Kochbücher. Die Schränke ächzten unter den dicken Mehl- und Zuckertüten und feinster Schokolade, die sich, für den Fall, dass ich das Bedürfnis hatte, einen Riesenvorrat an Schokoladenkeksen zu backen, kiloweise darin befanden. Der Kühlschrank quoll über mit reifem, zerlaufendem Käse, der auf Crackern spät nachts mit einem Glas Rotwein genüsslich verdrückt wurde. Dann gab es noch einen Perlenvorhang, der in die begehbare Speisekammer führte, durch den ich so gerne schritt wie Beverly aus Abigail’s Party .
    Diese Speisekammer hatte mich letztendlich dazu bewogen, die Wohnung zu nehmen. In ihrem kühlen, dunklen Innenraum standen mittlerweile fein säuberlich aufgereiht Gläser mit Marmelade, Essiggurken und Würzmitteln. Ich mochte es einfach, darin zu stehen und sie mir anzuschauen. Wenn ich wählen könnte, wo ich meine letzten Stunden verbringen dürfte, dann wäre es hier, in dieser Speisekammer. Ganz allein mit einem frisch gebackenen, warmen, weichen Croissant, gefüllt mit frischer, feiner dunkler Schokolade.
    »Joe!«, rief ich noch einmal, trat in den Flur, stolperte über eine Kiste mit Geschirr und stieß mit der Nase auf einen riesigen Strauß weißer Lilien, der den ganzen Telefontisch einnahm und ein Vermögen gekostet haben musste. Ich runzelte die Stirn. Sonderlich gerne hatte ich Lilien noch nie gemocht, denn ihr durchdringender Geruch erinnerte mich immer an die Beerdigung meiner Mutter. Damals kannte ich ihre Symbolik noch nicht und konnte nicht verstehen, warum die Leute weiße Blumen für eine solch schillernde Person ausgesucht hatten.
    »Joe?«, rief ich noch einmal und schob seine Schuhe mit dem Zeh beiseite.
    Seit ich begonnen hatte, mit Joe auszugehen, waren seine Habseligkeiten wie wilde, essbare Pilze in den Ecken meiner Wohnung aufgetaucht. Auch wenn er eine eigene Wohnung in Kentish Town hatte, gehörte seine Gitarre inzwischen zum festen Inventar meines Heims, genauso wie seine Sammlung an Klamotten, die aus Worn Free T-Shirts, Lee-Jeans und weißen Vans-Schuhen bestand. Sein alter senffarbener MG Spider, der die Kerle anzog wie Motten das Licht, fristete sein Dasein bei mir draußen auf der Straße. Meine ältere Schwester Daisy war überzeugt, mit so einem Wagen den geeigneten Heiratskandidaten zu finden, und hatte sich geschworen, für ein solches Auto zu sparen.
    »Ich bin hier draußen«, ertönte es vom Garten.
    Ich lächelte, als ich hinausging und ihn sah.

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