Ein Menü zum Verlieben: Roman (German Edition)
antwortete er. »Tut mir leid, ich muss los, in eine Besprechung. Vielen Dank, dass du das für mich machst. Ich … ich weiß … das echt zu schätzen. Und ich glaube, es ist wirklich eine gute Idee. Ich bin überzeugt, dass du auf längere Sicht froh sein wirst, es gemacht zu haben.«
Joe klang so dankbar, dass ich nachgab. Ich konnte ihn auf keinen Fall im Stich lassen. Vielleicht würde es ja ganz nett werden und ich sogar gewinnen. Egal, die Sache würde auf keinen Fall in irgendeiner Weise mein Leben umkrempeln, und wenn Joe dadurch beruflich vorankommen würde, sollte es an mir nicht scheitern.
»Ich liebe dich, Eve«, sagte er plötzlich ganz ernst. »Ehrlich. Mehr, als du denkst. Danke. Bis nachher.«
Es raschelte im Hintergrund, als Joe den Hörer auflegte. Ich blieb leicht verwirrt zurück und machte mir panisch Gedanken, was ich kochen sollte.
»Ich dich auch«, erwiderte ich und sprach dabei schon zum Amtszeichen des Telefons.
Nachdem ich meine Rezeptbücher durchgeblättert und mir ein Menü ausgedacht hatte – frischer Spargel als Vorspeise, Fischeintopf mit selbst gebackenem Brot als Hauptgang und ein Schokoladen-/Erdbeer-Baiser zum Nachtisch –, trotzte ich den samstäglichen Massen auf dem Borough Market und gab ein halbes Vermögen – das ich nicht besaß – für frische Zutaten aus.
Dann aber fiel mir das Foto von Ethan in die Hände, und ich blieb wie angewurzelt stehen. Es war aufgenommen worden, kurz bevor Ethan mich verließ, und kam mir wie aus einem völlig anderen Leben vor. Mein Haar war damals länger und braun – jetzt trug ich einen roten Bob. Ich sah wahnsinnig glücklich darauf aus. Wir waren auf dem Reading Festival und saßen, beide grinsend, unterm Vorzelt. Er hatte seinen Arm um mich gelegt, während ich ihn anhimmelte. Wie immer. Ich hatte nie meinem Blick von Ethan abwenden können, denn er hatte so verdammt gut ausgesehen.
Ab und zu hatte er als Schauspieler gearbeitet, und er hätte gut in einem Film noir aus dem Hollywood der 1940er-Jahre mitwirken können. Tatsächlich hatte er zweimal Rollen in Serien gehabt. Einmal als Drogendealer in The Bill , das andere Mal als Leiche in Silent Witness . Mit seiner hochgewachsenen wohlgeformten Figur, dem dunklen Teint, den unergründlichen Augen und seiner angenehm männlichen Ausstrahlung schien er geradewegs einem dieser leuchtenden Bilder von Jack Vettriano entsprungen zu sein. Selbst nach durchzechter Nacht mit dunklen Ringen unter den Augen – und dunkle Ringe hatte er oft gehabt, denn Ethan liebte es zu feiern –, hätte er noch ein Fotoshooting für Yves Saint Laurent absolvieren können.
Ich schaute Ethan einfach gerne an, denn ich hatte ihn in den zwei Jahren unserer Beziehung mit jeder Faser meines Körpers geliebt. Fälschlicherweise war ich davon ausgegangen, diese Liebe hätte auf Gegenseitigkeit beruht. Und jetzt? Jetzt empfand ich nur noch Hass für ihn. Ich schüttelte den Kopf, biss mir auf die Lippe und spannte die Zehen in meinen Sandalen an.
Heul bloß nicht!, ermahnte ich mich selbst, seufzte laut und marschierte von den Erdbeeren weg in Richtung Bushaltestelle, während die Einkaufstüten gegen meine Beine baumelten.
»Er ist Geschichte«, murmelte ich. »Und das von vorgestern.«
Nach unseren beiden gemeinsamen und den fast drei Jahren, die unsere Trennung mittlerweile zurücklag, hätte mich der Gedanke an ihn nicht mehr aus der Fassung bringen dürfen. Trotzdem tat er es. Er hatte mit seinem Verschwinden eine Lücke in meinem Leben hinterlassen und nichts Geringeres als eine Katastrophe ausgelöst. Mein Herz verwandelte sich in einen Hohlkörper, so wie damals beim Tod meiner Mutter.
Selbst jetzt wurde mir bei dem Gedanken, wie er mich verlassen hatte – schlagartig, ohne jede Vorwarnung –, immer noch schlecht. Ich war mir sicher gewesen, so vollkommen sicher gewesen, dass Ethan und ich für den Rest unseres Lebens zusammenbleiben würden. Doch da hatte ich mich gründlich getäuscht. Ich hatte geglaubt, mein Anteil an Traurigkeit wäre mit dem Tod meiner Mutter abgedeckt, doch wusste ich inzwischen, dass das Leben anders verlief, als ich dachte. Während einige Menschen sorglos in den Tag hineinlebten, zogen andere das Unglück an wie Motten das Licht.
Ich stieg in den Bus Nr. 40 nach East Dulwich ein, fand einen freien Sitzplatz und warf noch einmal einen verstohlenen Blick auf das Foto. Ich suchte in Ethans Gesicht nach Anzeichen, die verrieten, dass er unglücklich war, denn das
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