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Ein nackter Arsch

Ein nackter Arsch

Titel: Ein nackter Arsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Bauer
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Leitung klang unangemessen fröhlich. Den Anrufer hatte er sofort erkannt – trotz Rauschfilter. Denn ‚Commissario‘ nannte ihn nur einer: Fabio Trulli.
    Eigentlich war er ja bereits seit Jahren Oberkommissar. Er wartete sogar schon auf die Beförderung zum Hauptkommissar, die irgendwann kommen würde. Für seine Mitarbeiter blieb er aber der ‚Kommissar‘ oder für Trulli der ‚Commissario‘. Simarek war das egal. Er gab wenig auf die unterschiedlichen Amtsbezeichnungen, die Besoldungsstufe dagegen war ihm nicht ganz so gleichgültig.
    „Wie spät is’n?“, knarzte Simarek ins Telefon.
    „Genau fünf Uhr drei, Zeit für ’n Frühstücksei“, klang es fröhlich reimend aus der Muschel.
    ‚Irgendwann erwürge ich ihn‘, dachte der Kommissar. Trullis Neigung, die Welt permanent mit seiner Dichtkunst zu beglücken, konnte Simarek nur wenig abgewinnen. Und mit dieser Meinung war er im Kommissariat nicht allein. Simarek hatte Trulli sogar schon Prügel angedroht, sollte dieser nicht aufhören, ihn und die Kollegen mit Reimen und pseudoitalienischen Phrasen zu nerven. Aber Fabio Trulli hatte ein sonniges Gemüt und nahm das nicht weiter ernst, sehr zum Leidwesen seiner Kollegen.
    Simarek wusste, dass der Polizeiobermeister ihn nicht ohne guten Grund zu dieser Stunde störte. Dennoch konnte er sich die Floskel nicht verkneifen: „Ich hoffe, es ist wichtig.“
    „Si si, Commissario, ganz sicher, man könnte sagen todsicher oder so sicher wie das…“
    „Komm zur Sache!“, unterbrach ihn der Kommissar, der fürchtete, gleich in einem Schwall bedeutungsgleicher Redewendungen zu ertrinken. Auch die waren eine Leidenschaft Fabios. Hauptsache blumig! Nur leider lag Trulli oft ein winziges Stück daneben, was hin und wieder für peinliche, aber auch komische Momente sorgte. „Also, was ist?“
    „Na was wohl, Commissario? Eine Leiche gibt’s, männlich, so um die sechzig und unbekleidet. So wie’s aussieht, keine Gewalteinwirkung von außen. Die Spurensicherung rufe ich auch gleich an, aber ich dachte, du wolltest vielleicht…“
    „Wo?“, fragte Simarek.
    „Unterhalb der Stadtautobahn, zwischen Alter Brücke und Bismarckbrücke. Ein Obdachloser hat ihn gefunden.“
    „Bin sofort da!“
    „Bene!“
    So sehr ihn Fabio Trulli manchmal nervte, Simarek wusste doch, was er an dem Polizeiobermeister hatte. Dass er zuerst seinen Kommissar anrief, gab diesem die Möglichkeit, vor der Spurensicherung am Tatort zu sein. Jeder im Kommissariat kannte Simareks gespanntes Verhältnis zu den Kollegen der Spurensicherung.
    Simarek wollte immer als erster den Fundort einer Leiche besichtigen, bevor die anderen Abteilungen mit ihren Staubwedeln und ihrem grellen Licht die Aura des Ortes zerstörten. Er verließ sich gerne auf seine Intuition, er wollte den Ort spüren. Und diese Möglichkeit hatte ihm Trulli verschafft. Er musste sich beeilen.
    Zu Fuß waren es gut zwanzig Minuten zum Tatort. Der Spaziergang hätte ihm Zeit gegeben, einen klaren Kopf zu bekommen. Aber zwanzig Minuten waren in diesem Geschäft eine Ewigkeit. Seinen Dienstwagen, einen alten Peugeot 309, den er bislang erfolgreich vor der Ausmusterung hatte bewahren können, stand noch bei Biggi vor der Gelben Kastanie . Dort hatte er sein Feierabendbier getrunken (eigentlich waren es vier) und mit Willi, einem pensionierten Briefträger, zwei Grappa gekippt. Da er in seiner Straße ohnehin selten einen Parkplatz fand, hatte er – manchmal siegte die Vernunft – den Wagen gleich stehen gelassen.
    Zwar kannten ihn die Kollegen der Verkehrspolizei, und keiner käme je auf die Idee, ihm den Führerschein zu entziehen. Aber als Polizist alkoholisiert Auto fahren? Schließlich hatte er ja eine Vorbildfunktion in der Gesellschaft. Jedenfalls redete er sich das manchmal ein. Jetzt allerdings ärgerte er sich, dass sein Dienstwagen nicht vor der Haustüre stand. Simarek wählte Siebenundzwanzig-null-siebenundzwanzig.
    „Taxiruf, guten Morgen!“
    „Morgen, Ralf!“ Simarek kannte mittlerweile alle Stimmen in der Zentrale, und die Leute dort erkannten ihn auch sofort. „Fährt Ricky heute Nacht?“
    „Ja, Robert! Ist in zwei Minuten bei dir!“
    Wenn Simarek um diese Uhrzeit anrief, wusste die Zentrale, dass es eilig war. Als das Taxi pünktlich zwei Minuten später vor seiner Haustür hielt, stand der Kommissar schon auf dem Gehsteig. Er zögerte kurz und entschied sich dann instinktiv: „Bismarckbrücke!“
    „Ärger?“, fragte Ricky.
    „Leiche“,

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