Ein königlicher Verführer
1. KAPITEL
Prinz Alexandros Karedes, zweiter in der Thronfolge des Königreichs von Aristo, war nicht dafür geschaffen, zu warten.
Geduld hatte noch nie zu seinen herausragenden Stärken gehört. Wer mochte also so ignorant sein, einen Mann wie ihn auf diese Weise unnötig herauszufordern?
Sein eigener Vater! Alexandros ließ einen resignierten Seufzer hören, während er im Vorraum zum Thronsaal wohl zum zehnten Mal – in ebenso vielen Minuten – den antiken Marmorkamin passierte. Der kleine Zeiger der vergoldeten französischen Uhr auf dem Kaminsims zeigte auf sechs.
Man hatte ihm ausgerichtet, der König erwarte ihn um fünf Uhr dreißig. Doch Aegeus war nicht gerade für seine Pünktlichkeit bekannt, selbst wenn es seine Kinder betraf.
„Eine unglückliche Angewohnheit“, nannte es Königin Tia, doch Alex, wie ihn Normalsterbliche nannten, war weniger zurückhaltend. Er kannte seinen Vater sehr gut und war überzeugt davon, dass seine chronische Unpünktlichkeit nur eine weitere subtile Methode war, jedermann daran zu erinnern, eingeschlossen seine Familie, dass er, obwohl in die Jahre gekommen, immer noch der König war.
Wahrscheinlich verlangte er auch genau aus diesem Grund, dass sein Sohn ihn hier, in diesem formellen Rahmen, aufsuchte, anstatt mit ihm in den königlichen Privatgemächern zu sprechen.
Aber so war er eben, und aus Erfahrung wusste Alex, dass es keinen Zweck hatte, das Verhalten seines Vaters zu kritisieren oder gar infrage zu stellen. Aegeus war ein mehr als kompetenter Herrscher und der Bevölkerung von Aristo ein gütiger Regent.
Nur, was seine Frau und seine Kinder betraf, verhielt er sich von jeher seltsam distanziert.
Alex war das egal. Mit sechs oder sieben Jahren hätte ihm etwas weniger Formalität und eine wie auch immer geartete Demonstration von Zuneigung sicher noch etwas bedeutet. Doch heute, mit einunddreißig, hatte er sich längst ein eigenes, sehr erfolgreiches Leben aufgebaut, vertrat das Königreich nach außen auf internationalem Parkett und genoss, als kluger Stratege und geschickter Geschäftsmann, weltweite Reputation.
Alex schaute erneut zur Uhr.
Auch wenn er die lästige Marotte seines Erzeugers hinlänglich kannte, empfand er das unsinnige Warten als irritierend. Das Meeting an sich würde nicht viel Zeit in Anspruch nehmen, auch das wusste er aus Erfahrung.
Da er gerade erst von einer Geschäftsreise aus Fernost zurückkam, wollte Aegeus sicherlich wissen, ob alles wie erwartet gelaufen war und genügend wichtige neue Banken und Konsortien auf der beeindruckenden Liste von Alex’ ausländischen Geschäftsverbindungen zu verzeichnen seien. An Details war er selten interessiert. Für Aegeus zählte einzig das Resultat.
Auch damit konnte Alex ausgezeichnet leben. Nur, wenn sein Vater ihn noch lange warten ließ, würde er möglicherweise zu spät zu seinem Date in die Stadt kommen.
Obwohl … eigentlich war selbst das kein Problem.
Mit seinem neuen Ferrari konnte er die kurvigen Serpentinen, die über das steile Kliff zum Mittelmeer hinunterführten, zügig überwinden. Und sollte er das Grand Hotel später als angekündigt erreichen, erwartete er keinen Einwand oder gar eine Beschwerde.
Um seinen Mund spielte ein zynisches Lächeln.
Falsche Bescheidenheit war Alexandros Karedes völlig fremd. In allem, was sein Leben bereicherte und es angenehm machte, bewies er ein glückliches Händchen. Egal, ob es um schöne Frauen ging, rasante Autos oder Glücksspiel. Und ganz nebenbei verfügte er über ein untrügliches Gespür für geschäftlichen Erfolg, was sich in seinem ganz privaten Imperium niederschlug, das er hier in Aristo und in New York aufgebaut hatte.
Sein Lächeln verblasste. Was das Thema Frauen betraf, schien ihn sein Glück in der letzten Zeit allerdings verlassen zu haben.
Dabei mangelte es ihm wahrlich nicht an verlockenden Angeboten. Sein heutiges Date war ein internationales Top-Model, das ihm bei einem Foto-Shooting vor dem Casino aufgefallen war, als er mit dem Manager über eine geplante Erweiterung der Spielbank sprach.
Sie war einfach umwerfend attraktiv und atemberaubend sexy, und Alex ging davon aus, dass sie den heutigen Abend in seinem Stadtapartment im Bett verbringen würden …
Und?, dachte er.
Was für eine verrückte Reaktion! Eine weitere schöne Frau auf seiner Liste, eine heiße Liaison mehr, und das war alles was ihm dabei durch den Kopf ging?
Vielleicht lag es daran, dass er genau wusste, was nach dieser
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