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Ein nackter Arsch

Ein nackter Arsch

Titel: Ein nackter Arsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Bauer
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Generation da schon weiter? Wir haben doch gelernt, Probleme zu thematisieren und rennen gerne zur Psychotherapie oder in Supervisionsgruppen. Wir haben also das Werkzeug, um mit solchen Dingen umzugehen. Und doch glaube ich, Menschen wie Desgranges wird es auch in unserer Generation geben und wahrscheinlich auch bei den ganz Jungen. Eigentlich ist das deprimierend.“
    Simarek zog an seiner Lepanto und meinte dann: „Es wird immer Menschen geben, die still leiden. So weit sind dann auch Gesine Mollet und Jacques Desgranges nicht voneinander entfernt. Nur das Ziel ihrer Gewalt unterscheidet sich. Und dass das verbindende Element Desgranges’ Tochter war, ist schon eine besonders ironische Variante des Schicksals. Die Tochter und Psychotherapeutin, die zwei Menschen in ihrem zerstörerischen Tun nicht aufhalten kann, obwohl sie so vieles sieht und versteht.“
    Simarek ahnte, wie Simone Richter sich fühlen musste, oder war sie schon wieder einen Schritt weiter in ihren Gedanken? Hatte sie am Ende schon wieder verstanden und verarbeitet? Er wusste, er würde Simone Richter wieder begegnen, ihm war aber nicht klar, ob er sich nur darüber freuen sollte. Zu unsicher war er sich selbst ihr gegenüber und dem, was zwischen ihnen geschehen war. Hatte sie ihn getäuscht? Oder hatte sie tatsächlich nur parallel zu ihm dieselben Schlüsse gezogen? Er würde sie fragen, irgendwann mal.
    Die Lepantos waren geraucht und Simarek müde. Der Kommissar stand auf, legte seinem Freund, dem Pastor, freundschaftlich die Hand auf die Schulter und sagte: „Ich muss ins Bett. Danke, dass du so viel Zeit für mich hattest. Gute Nacht.“
    „Hast du nicht noch was vergessen?“ Der Pastor zog eine Augenbraue hoch und bemühte sich, tadelnd zu blicken.
    „Ich? Nö. Keine Ahnung. Was meinst du?“
    „Soll ich vielleicht Anna grüßen, wenn ich sie sehe?“
    „Gute Nacht“, sagte der Kommissar noch einmal und ging. Er konnte dabei spüren, wie Hassdenteufel in seinem Rücken lächelte.

Samstag, 19. Oktober 2002

    Die Nacht war kurz und traumlos, jedenfalls erinnerte er sich nicht mehr an irgendwelche Bilder, die ihn im Schlaf bewegt hätten. Der digitale Wecker zeigte 04:45, Zeit zum Aufstehen, wollte er den nächsten Zug nach Köln nicht verpassen. Die Wäsche fiel kurz aus, er würde bei Evi in Köln schnell unter die Dusche springen und dann… Ja, was dann? Er ahnte, dass sie beide nach der Begrüßung eine gewisse Zeit brauchen würden. Dann würde sich schon zeigen, welche Richtung ihre Beziehung nähme. Aber Simarek war sich jetzt sicher. Er wollte diese gemeinsame Zukunft mit Evi.
    Er korrigierte seinen Körpergeruch noch mit einem extra Sprühstoß seines Deos, stopfte Camilleris Montalbano in seine Jackentasche und hastete aus der Wohnung. Im Treppenhaus nahm er jeweils zwei Stufen auf einmal, denn ihm blieben jetzt gerade noch fünfundzwanzig Minuten bis zum Bahnhof. Zwar war der Weg dorthin zu Fuß bequem in einer Viertelstunde zu bewältigen, aber Simarek wollte noch Croissants und einen Kaffee kaufen. Merkwürdigerweise hieß der neuerdings am Bahnhof „Coffee to go“, wobei eine der kleinen Backstuben mit der originellen Schreibweise „Kaffee Togo“ aufwartete. Der Kaffee stammte aber eindeutig aus den Anden. Er erinnerte sich daran, dass in Berlin vor kurzem ein amerikanischer Laden namens Starbucks eine Filiale eröffnet hatte. Kaffee für unterwegs war eine Variante für Eilige, dachte Simarek. Und heute hatte er es eilig. Hätte er seinen Wecker eine halbe Stunde früher klingeln lassen, hätte es für einen weitaus gemütlicheren Kaffee bei Pit gereicht. Aber man kann nicht alles haben, Schlaf und Zeit für einen entspannten Kaffee schließen sich manchmal aus.
    Als Simarek einstieg, stellte er fest, dass der Zug angenehm leer war. Offenbar wollten an diesem frühen Morgen nicht viele Menschen Richtung Köln. Ihm konnte das recht sein. Er suchte sich ein gemütliches Eckchen, kuschelte sich in den Sitz, trank seinen Kaffee und begann zu lesen. Sein Handy schaltete er zur Sicherheit stumm. Bis Köln wollte er Montalbanos ersten Fall zu Ende bringen. Der fiktive sizilianische Kommissar sollte ebenso mit einem gelösten Fall ins Wochenende gehen wie der reale Kommissar aus Saarbrücken.
    In Mannheim musste Simarek umsteigen. Diese Verbindung war knapp vierzig Minuten schneller als die Strecke über Trier, die er sonst fuhr. Trotzdem hatte er mehr als zwanzig Minuten Zeit, um einen weiteren Kaffee zu trinken, bevor

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