Ein Noah von heute
schütteln, rufen sie ein Gerassel hervor.
Das Stachelschwein kehrte mir mit gesträubten Stacheln den Rücken, blickte mit vorquellenden entrüsteten Augen über die Schulter und stampfte warnend mit den Füßen. Ich überlegte mir, daß sein Schwanz der einzige Körperteil war, den ich anfassen konnte, ohne von seinen Stacheln aufgespießt zu werden. Also umwickelte ich meine Hand mit einem dicken Leinenbeutel, streckte sie aus und packte das Tier unterhalb des Stachelbüschels am Schwanz. Im Nu rannte es rückwärts und preßte meine Hand an den Felsen, wobei seine Stacheln durch den Leinenbeutel drangen wie ein Messer durch Butter. Aber ich ließ nicht los, sondern versuchte das Tier wegzuziehen und in einen zweiten Beutel zu stecken, den ich in der andern Hand hielt. In dem engen Gang hatte ich so wenig Bewegungsfreiheit, daß es unmöglich war, den Sack erfolgreich über den Kopf des Stachelschweins zu stülpen, und bei jeder Bewegung, die es machte, schien es mich wiederum mit einem seiner Stacheln zu durchbohren. Der Kampf endete damit, daß es sich von hinten an meine Brust drückte, und da ich nur ein dünnes Hemd trug, war das, gelinde gesagt, sehr schmerzhaft.
Ich entschied, daß es am besten wäre, das Stachelschwein aus der Höhle zu ziehen, anstatt es in den Sack zu stecken, und so packte ich es noch fester am Schwanz, kroch langsam und sorgfältig rückwärts und zerrte das widerstrebende Stachelschwein mit. Es kam mir stundenlang vor, bis ich endlich in der freien Luft auftauchte, und auch das Stachelschwein hatte anscheinend alle Kampfeslust verloren, denn es baumelte ziemlich schlaff. Ich rief nach den Jägern, und als sie bei mir waren, gelang es uns, das Tier in einen Sack zu stecken. Ich war von Kopf bis Fuß zerkratzt und zerstochen, und ich fand, daß mich das Stachelschwein für seine Gefangennahme sehr schwer hatte bezahlen lassen.
Natürlich wendeten wir beim Sammeln unserer Exemplare auch noch viele andere Methoden an. Wir setzten zum Beispiel oft in verschiedenen Teilen des Waldes Fallen, aber das mußte sehr bedachtsam geschehen, denn die meisten Waldtiere haben ihren bestimmten Aufenthaltsort und wagen sich selten aus ihrem Gebiet hinaus. Sie folgen bestimmten Wechseln — auch oben in den Bäumen haben sie ihre eigenen Wege — , und wenn man die Falle nicht am genau richtigen Ort aufstellt, wird sich das Tier ihr höchst wahrscheinlich niemals nähern.
Die meisten Menschen sind der Ansicht, daß die Tiere im Urwald die ganze Zeit weit herumstreichen; aber das ist nicht der Fall. Jedes sucht sich das Gebiet aus, das ihm am besten gefällt, und bleibt dort; manchmal ist ein solches Gebiet groß, häufiger aber erstaunlich klein, und sehr oft bewohnt ein Tier eine Bodenfläche, die nicht viel größer ist als ein geräumiger Käfig im Zoo. Vorausgesetzt, daß das Tier genügend Nahrung und Wasser sowie einen sicheren Schlafplatz findet, wagt es sich aus den selbstgesteckten Grenzen nicht hinaus.
Viele Menschen scheinen auch anzunehmen, daß es sehr gefährlich sei, wildlebende Tiere zu fangen, daß man aber verrückt sein müsse, um nachts auf der Suche nach Exemplaren in den Urwald zu gehen. In Wirklichkeit sind die tiefen Urwälder nicht gefährlich, und in der Nacht droht dort nicht mehr Gefahr als bei Tage. Man wird feststellen, daß alle wilden Tiere erpicht darauf sind, dem Menschen aus dem Wege zu gehen, wenn sie ihn kommen hören. Nur wenn sie in die Enge getrieben werden, greifen sie an, und das kann man ihnen kaum verübeln. Alle Geschöpfe des Urwalds — auch die Schlangen — sind im Grunde friedlich und wünschen nur in Ruhe gelassen zu werden. Wenn man ihnen nichts tut, hüten sie sich davor, dem Menschen Schaden zuzufügen. Tierfang ist also keineswegs so gefährlich, wie allgemein angenommen wird. Im großen und ganzen besteht die Gefahr bloß in der eigenen Dummheit; mit anderen Worten, wenn man törichte Wagnisse eingeht, muß man mit unangenehmen Folgen rechnen. Manchmal geht man allerdings in der Hitze des Augenblicks ein Wagnis ein, ohne sich darüber im klaren zu sein, und erst nachher stellt man fest, wie unüberlegt man sich benommen hat.
Auf meiner zweiten Reise nach Westafrika lernte ich an Bord des Schiffes einen jungen Mann kennen, der dorthin fuhr, um auf einer Bananenpflanzung zu arbeiten. Er bekannte mir, das einzige, wovor er sich fürchte, seien Schlangen. Ich sagte ihm, daß Schlangen in der Regel nur den Wunsch hätten, die Menschen zu meiden,
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