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Ein Ort wie dieser

Ein Ort wie dieser

Titel: Ein Ort wie dieser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie-Aude Murail
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Kopien der Briefe überschüttet. Gleich danach ging man zum dritten Punkt über, den Eloi vorgesehen hatte. Über die Fassade der Schule wurde ein Spruchband gespannt, das verkündete: WIR WOLLEN DIE BAOULÉ - KINDER BEHALTEN !
    Die AWG verteilte in der ganzen Stadt Flugblätter, mit denen die Einwohner dazu eingeladen wurden, am nächsten Samstag an der Zeremonie der Patenschaftsübernahme für die Kinder aus der Elfenbeinküste durch französische Staatsbürger in der Louis-Guilloux-Schule teilzunehmen.
     
    Am Vorabend der Zeremonie ging Nathalie zu Eloi. Der junge Mann saß auf seinem Bett, gut gestützt von Kissen und eingepackt in seinen alten roten Bademantel. Nathalie musterte ihn und lächelte spöttisch: »Na, du Aristokrat, wieder zu Hause?«
    »Lass stecken, Nat’ … Setz dich.«
    Sie setzte sich im Schneidersitz auf die elfenbeinfarbene Decke, ohne ihre dreckigen Turnschuhe auszuziehen.
    »Hast du alle Paten?«, fragte er sie.
    Sie zog einen Zettel aus der Tasche und zählte auf: »Démor, Omchen. Donatienne, Doktor Moulière. Clotilde, Melanie Muller. Alphonse, Montoriol. Tiburce, Marie-Claude Acremant. Honorine, Madame Gervais. Prudence, Chantal Pommier. Victorine, Madame Pons. Pélagie, Madame Cambon. Eden, die Guérauds. Leon, Cécile. Toussaint, dein Vater. Felix, meine Wenigkeit. Habe ich auch niemanden vergessen?«
    »Stimmt alles. Hast du das Fernsehen benachrichtigt?«
    Sie wollte gerade antworten, als ein schüchternes Klopfen an der Tür sie unterbrach und sie den Kopf umwandte. Es war Cécile, die zögerte einzutreten.
    »Sie verfolgt dich«, murmelte Nathalie und warf Eloi einen übellaunigen Blick zu.
    Sie stand auf und schleifte dabei ordentlich mit den dreckigen Schuhen über den Satin.
    »Guten Tag, Nathalie. Ich will euch nicht stören«, sagte Cécile.
    »Ich wollte gerade gehen.«
    Sie verließ das Zimmer, ohne sich zu verabschieden.
    »Ich habe den Eindruck, sie mag mich nicht besonders«, bemerkte Cécile bedauernd.
    »Nicht besonders«, bestätigte Eloi und lachte.
    Dann wurde sein Blick traurig.
    »Sie ist ein komisches Mädchen. Sie will nicht, dass man sie mag.«
    Auch wenn Eloi noch blass und müde war, so hatte er doch wieder ein ansprechendes Gesicht, und sein Körper lag ungezwungen inmitten der Kissen in dem roten Bademantel, der sich leicht öffnete. Cécile himmelte ihn mit der ganzen Leidenschaft einer ersten Liebe an. Er lachte ein verlegenes Lachen und schloss den Bademantel, um sich nicht zu verraten.
    »Und doch«, sagte er schmachtend, »ist es angenehm, geliebt zu werden.«
    Cécile lächelte und sagte mit ihrer Lehrerinnenstimme: »Ich bin gekommen, um dir Neues von den Baoulé-Kindern zu berichten.«
    Sie war sich unsicher, wie sie sich verhalten sollte. Eloi machte – ob er nun im Kampfdress war, sie unter seinem Tchip-Burger-Käppi ansah oder in einer Hollywood-ähnlichen Umgebung lag – immer denselben Eindruck auf sie, den einer Porzellanfigur, die dicht am Rand eines Regalbretts steht.
    »Wir haben deinen Rat befolgt«, begann sie. »Wir haben die Kinder in den Räumen der Schule zusammengeführt.«
    Die kleinen Baoulés aßen jetzt mittags und abends in der Kantine, spielten im Hof, lernten im Klassenzimmer und schliefen in der Bibliothek. Der Verein
Asyl – Solidarität und Hilfe
hatte Matratzen auf dem Boden verteilt, und abends nahmen sich die Baoulés, beaufsichtigt von Omchen und dem einen oder anderen Mitglied der AWG , Bilderbücher und Comics aus den Regalen, bevor sie einschliefen.
    »Sie waschen sich so gut es geht an den verschiedenen Wasserhähnen«, fügte Cécile hinzu. »Das ist ein bisschen chaotisch, aber sie sind sehr stolz, in der Schule zu wohnen.«
    Ein Artikel in
La République du Centre
hatte übrigens gerade die Überschrift getragen:
Zwölf Kinder besetzen eine Schule.
    »Ich hoffe, unsere Patenschaftsaktion wird Lärm machen«, schloss Eloi. »Das ist unser letzter Trumpf.«
     
    Der Samstag versprach schön zu werden mit einem trockenen, kalten blauen Himmel. Ab zehn Uhr sorgte die AWG im Schulhof mit ihrem Orchester für Stimmung. Die Zeremonie war für elf Uhr vorgesehen, danach würde es in der Kantine ein Büffet geben. Das Schultor war weit geöffnet, und am Eingang stand ein Tisch, auf dem die Petition auslag. Eltern, aber auch Passanten konnten sich mit dem vielzitierten Satz
Ich erkläre mich mit den Baoulés solidarisch
dort eintragen. Nach und nach füllte sich die Liste mit Namen und Unterschriften. Monsieur

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