Ein perfektes Leben
Hör zu: die malangas, die du mitgebracht hast, gekocht, in Knoblauchsoße, mit viel Knoblauch und bitteren Apfelsinen; die Schweineschnitzel, die gestern übrig geblieben sind, stell dir vor, ich hab sie eingelegt, sie sind so gut wie fertig, und es reicht für zwei pro Kopf; dazu schwarze Bohnen, schön sämig, wie ihr sie am liebsten mögt, wegen des intensiven Geschmacks, und jetzt gebe ich noch einen Schuss argentinisches Olivenöl dazu, hab ich in der Bodega gekriegt. Beim Reis hab ich schon die Flamme klein gestellt, auch den hab ich mit Knoblauch angemacht, so wie dir dein Freund aus Nicaragua gesagt hat. Und dann der Salat: Kopfsalat, Tomaten und Radieschen. Ach ja, das Dessert: geraspelte Kokosnuss mit Käse … Bist du noch dran, Condesito?«
»Ich beiß mich in den Arsch, Jose«, sagte El Conde, und er spürte, wie sich sein angegriffener Magen endgültig erholte. Er schwärmte für reich gedeckte Tische und hätte sein Leben hergegeben für ein solches Menü. Er wusste, dass Josefina das Essen eigens für ihn und den Dünnen zubereitete, und jetzt musste er darauf verzichten. »Hör schon auf, ich hab keine Lust mehr, mit dir zu reden. Weck den Dünnen auf und gib ihn mir. Der alte Säufer soll endlich aufstehen … «
»Sag mir, mit wem du umgehst … «, lachte Josefina und legte den Hörer neben die Gabel.
Er kannte sie nun schon seit zwanzig Jahren, aber auch in den schlimmsten Augenblicken hatte er sie niemals fatalistisch oder am Boden zerstört erlebt. Mario Conde bewunderte und liebte sie, manchmal mehr als seine eigene Mutter, mit der ihn keine so innige und vertraute Beziehung verband wie mit der Mutter von Carlos, dem Dünnen, der nicht mehr dünn war.
»Was ist?«, brummte der Dünne. Seine Stimme klang tief und belegt. Genauso schrecklich, wie die seines Freundes wohl geklungen haben musste, als der Alte ihn geweckt hatte.
»Ich werd dir den Rausch austreiben«, versprach Mario grinsend.
»Scheiße, das hab ich auch nötig, ich bin fix und fertig. Ich sags dir, du Wildsau: Nie wieder so ’ne Sause wie gestern Nacht, das schwör ich dir bei deiner Mutter!«
»Tut dir der Kopf weh?«
»Das ist das Einzige, was mir nicht wehtut«, erwiderte der Dünne.
Er hatte niemals Kopfschmerzen, und Mario wusste das. Carlos konnte Unmengen Alkohol trinken, zu jeder Tages- und Nachtzeit, süßen Wein, Rum, Bier, alles durcheinander, er konnte sternhagelvoll sein, aber niemals tat ihm der Kopf weh.
»Also, weshalb ich anrufe … Heute Morgen hat man mich aus dem Bett geklingelt … «
»Aus der Zentrale?«
»Aus der Zentrale, ja, wegen eines dringenden Falls. Eine Vermisstenanzeige.«
»Erzähl keinen Scheiß! Ist Baby Jane etwa wieder abgehauen?«
»Red nur so weiter, mein Freund, und ich mach dich fertig. Der Vermisste ist kein anderer als ein Unternehmensleiter im Range eines Vizeministers, und außerdem ist er ein Freund von dir. Er heißt Rafael Morín Rodríguez.« Eisernes Schweigen. Ich hab ihn voll erwischt, dachte Mario. Hat nicht mal »Leck mich am Arsch, du« gesagt. »Dünner?«
»Leck mich am Arsch, du! Was ist passiert?«
»Eben das, vermisst wird er, von der Bildfläche verschwunden ist er, entschwunden wie Matías Pérez mit seinem Heißluftballon. Niemand weiß, wo er ist. Tamara hat am Abend des Ersten Anzeige erstattet, und der Kerl taucht nicht wieder auf.«
»Und man weiß nichts?« Die Ratlosigkeit des Dünnen wuchs mit jeder Frage. Mario stellte sich das Gesicht des Freundes vor. Zwischendurch gelang es ihm, ihn über die Einzelheiten des Falles Rafael Morín zu informieren, soweit sie ihm bekannt waren.
»Und was wirst du jetzt tun?«, fragte der Dünne, als er die Nachricht verdaut hatte.
»Routinearbeit. Hab noch keine Idee. Leute befragen und so, das Übliche eben, ich weiß noch nicht.«
»Sag mal, kommst du wegen Rafael nicht zum Essen?«
»Wo du gerade davon sprichst, sag Jose, sie soll mir meinen Teil aufbewahren, anstatt ihn irgendeinem hergelaufenen Blödmann in den hungrigen Rachen zu werfen. Sobald ich hier fertig bin, komm ich vorbei.«
»Und erzählst mir alles, ja?«
»Und erzähl dir alles. Wie du dir denken kannst, werd ich Tamara besuchen. Soll ich ihr Grüße von dir ausrichten?«
»Neujahrsgrüße, ja, denn heute beginnt ein neues Jahr und damit ein neues Leben. Hör mal, Kleiner, du musst mir auch erzählen, ob sie immer noch so gut aussieht. Du, ich erwarte dich heute Abend.«
»Moment, Moment«, beeilte sich Mario, »wenn du wieder
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