Ein perfektes Leben
Eisbeutel auf die Eier legen.
Sargento Palacios legte den Rückwärtsgang ein, trat aufs Gaspedal und fuhr mit quietschenden Reifen rückwärts vom Parkplatz. Am Steuer wirkte er weniger schwächlich. Als er zur Eingangstür der Zentrale hinüberblickte, sah er das unbewegte Gesicht von Teniente Conde. Offenbar war es ihm nicht gelungen, ihn mit diesem Manöver à la Gene Hackman in French Connection zu beeindrucken. Trotz seiner Jugend sagten alle, er werde in ein paar Jahren der beste Ermittler in der Kripozentrale sein. Doch sobald ihm ein Lenkrad oder eine Frau in die Hände fiel, legte er eine bemerkenswerte Unreife an den Tag. Die panische Angst von Mario Conde vor der komplizierten Aufgabe, mit den Händen zu lenken, mit den Augen zu verfolgen, was vor und hinter dem Auto geschah, und gleichzeitig aufs Gaspedal oder auf die Kupplung zu treten oder zu bremsen, erlaubte es Manolo, den Chauffeur zu spielen, wenn der Alte sie gemeinsam mit einem Fall betraute. Mario Conde hatte immer geglaubt, dieses Automobil-Konkubinat, durch das ein Fahrer eingespart wurde, sei der Grund dafür, dass Mayor Rangel sie so häufig zusammen losschickte. Einige in der Zentrale hielten El Conde für den besten Mann der Dienststelle, waren aber davon überzeugt, dass Manuel Palacios ihn bald noch übertreffen würde. Aber nur wenige erkannten, wie gut sich der quirlig-vitale, fast verhungert aussehende Sargento mit dem Kindergesicht – bestimmt hatte er irgendeinen Trick angewandt, um in die Polizeiakademie aufgenommen zu werden – und der übertrieben bedächtige Teniente ergänzten. Nur der Alte hatte damit gerechnet, dass sich die beiden zusammenraufen würden. Und schließlich schien er Recht zu behalten.
El Conde ging auf das Auto zu. Er hatte eine Zigarette im Mund, sein Jackett war geöffnet, und die Ringe unter seinen Augen waren hinter den dunklen Brillengläsern verborgen. Er machte ein besorgtes Gesicht, als er die Wagentür öffnete und sich auf den Beifahrersitz setzte.
»Also dann, zu der Frau nach Hause?«, fragte Manolo, bereit loszufahren.
Mario Conde verharrte eine Weile in Schweigen. Er schob die Sonnenbrille in die Brusttasche, nahm das Foto von Rafael Morín aus der Akte und legte es sich auf die Knie.
»Was sagt dir dieses Gesicht?«, fragte er.
»Das Gesicht? Na ja, du bist hier der Psychologe. Ich müsste es reden hören, damit es mir was sagt.«
»Und was hältst du von dem Fall?«
»Weiß ich noch nicht, Conde. Er ist atypisch. Ich meine damit«, korrigierte sich der Sargento und blickte den Teniente an, »er ist verdammt merkwürdig, oder?«
»Red weiter«, ermunterte ihn El Conde.
»Naja, einen Unfall kann man zurzeit ausschließen, und es deutet auch nichts darauf hin, dass er das Land verlassen hat, jedenfalls den Informationen zufolge, die ich mir gerade angesehen habe. Obwohl ich meine Hand dafür nicht ins Feuer legen würde. An eine Entführung glaube ich auch nicht, das wäre nicht logisch.«
»Vergiss deine Logik und red weiter.«
»Also, ich sehe in einer Entführung keine Logik, weil ich nicht weiß, was die Entführer für seine Freilassung verlangen könnten. Und dass er mit einer Frau durchgebrannt ist, leuchtet mir auch nicht so recht ein, oder? Er kann sich ja vorstellen, welches Theater man deswegen veranstaltet. Außerdem scheint er mir nicht der Mann für derartige Eskapaden zu sein. Das könnte ihn sogar um Amt und Würden bringen, nicht wahr? Für mich bleibt nur eine Lösung, mit zwei Möglichkeiten: Man hat ihn rein zufällig umgebracht, etwa um ihn auszurauben oder weil man ihn mit jemand anderem verwechselt hat oder weil er tatsächlich in irgendeine dunkle Sache verwickelt ist. Die zweite Möglichkeit, an die ich denke, ist ziemlich absurd: dass er sich wegen irgendetwas versteckt hält. Aber dann kapiere ich nicht, warum er sich nichts ausgedacht hat, um die Anzeige seiner Frau hinauszuzögern. Eine Reise in die Provinz oder so was in der Art … Das Ganze stinkt zum Himmel wie ’n toter Hund auf der Straße. Im Augenblick bleibt uns nur, in allen Richtungen zu ermitteln, bei ihm zu Hause, an seiner Arbeitsstelle, in seinem Viertel, keine Ahnung. Wir müssen herausfinden, was hinter seinem Verschwinden steckt.«
»Der verdammte Kerl«, knurrte Mario und starrte auf die Fahrbahn. »Fahren wir erst mal zu ihm nach Hause. Los, nimm die Rancho Boyeros Richtung Santa Catalina.«
Manolo ließ den Motor an. Die Straßen lagen noch immer menschenleer in der Hitze der
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