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Ein perfektes Leben

Ein perfektes Leben

Titel: Ein perfektes Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leonardo Padura
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ertragen. Man darf nicht sein ganzes verdammtes Leben lang grübeln, sagte er sich, und er bemerkte, dass die milde Morgenwärme die Tabletten dabei unterstützte, dem, was in seinem Kopf war, wieder Gewicht, Stabilität und ein paar elementare Funktionen zu verleihen. Er nahm sich vor, derartige Alkoholexzesse in Zukunft zu vermeiden. Seine Augen brannten vor Schlafmangel. Er kaufte sich Zigaretten, und dann spürte er, wie der Rauch den Kaffeegeschmack ergänzte und er wieder zu einem Menschen wurde, der in der Lage war zu denken und sogar sich zu erinnern. Da bereute er seinen Wunsch, sterben zu wollen, und um sich das Gegenteil zu beweisen, lief er zum Bus, der unbegreiflicherweise fast leer war. Das ließ ihn ahnen, dass das neue Jahr absurd begann. Doch das Absurde besitzt nicht immer die Freundlichkeit, sich im Gewande eines am Morgen fast leeren Busses zu präsentieren.
     
     
    September 1972
     
    Es war erst zwanzig nach eins, doch alle waren bereits vollzählig versammelt, nicht einer fehlte. Sie hatten sich in Grüppchen aufgeteilt, rund zweihundert Schüler, die man an ihrem Äußeren erkennen konnte. An dem Gitterzaun unter den riesigen Hibiskusbäumen standen die aus dem Varona-Viertel, seit langem Herren dieser beliebtesten Ecke, der mit dem meisten Schatten. Für sie bedeutete der Wechsel in die Oberstufe nichts weiter, als von ihrer Sekundärschule die Straße zu überqueren, und schon waren sie da. Sie redeten laut, lachten, hörten Elton John aus einem voll aufgedrehten Transistorradio Marke »Meridian«, das den Sender WQAM aus Miami tadellos empfing. Bei ihnen standen die hübschesten Mädchen. Keine Frage.
    Die aus Párraga, großspurig und unverschämt, standen in der prallen Septembersonne mitten auf dem Roten Platz, und ich wette, dass sie nervös waren. Ihre Angeberei machte sie misstrauisch, sie gehörten zu jenen Typen, die Unterhosen mit Beinansatz tragen, für alle Fälle. Ein Mann ist ein Mann, alles andere ist Schwuchtelkram, sagten sie und hielten sich ein weißes Taschentuch vor den Mund. Sie sprachen so gut wie nie, und die meisten von ihnen trugen Kleidung und Haarschnitt nach der letzten Mode und benahmen sich großkotzig. Aber ihre Mädchen waren wirklich nicht schlecht, wahrscheinlich gute Salsa-Tänzerinnen, die leise miteinander tuschelten, so als wäre es ihnen etwas unheimlich, zum ersten Mal in ihrem Leben so viele Leute zu sehen. Die aus Santos Suárez waren anders, machten einen vornehmeren Eindruck, fleißiger, hellhäutiger, sauberer und ordentlicher als alle andern, was weiß ich. Sie sahen aus wie Streber, Kinder von einflussreichen Papas und Mamas. Die aus Lawton dagegen glichen denen aus Párraga. Sie waren fast genauso arrogant und blickten auf alles verächtlich herab, und sie hielten sich ebenfalls ein weißes Taschentuch vor den Mund. Sogleich kam mir der Gedanke, dass sich die beiden Gruppen in Sachen Großspurigkeit Konkurrenz machen würden.
    Wir anderen, die aus den Vorstadtvierteln, waren am schwersten einzuordnen. Die Clique um den verrückten Loquillo, Potaje, Ñañara und diese Leute sahen aus wie die aus Párraga, wegen des Haarschnitts und der modischen Klamotten; andere glichen denen aus Santos Suárez: Pello, Mandrake, Ernestico und Andrés, vielleicht auch wegen der Kleidung; andere wiederum denen aus dem Varona, auf Grund ihrer Selbstsicherheit und der Selbstverständlichkeit, mit der sie redeten und rauchten. Und ich, ich sah neben Andrés und dem Hasenzahn wie ein richtiger Blödmann aus, war bemüht, alles mitzukriegen, und suchte in der fremden, mir unbekannten Menge das Mädchen, das ich mir als Freundin vorstellte. Brünett sollte sie sein, mit langem Haar, schönen Beinen, möglichst peppig, aber nicht zu peppig, denn sie sollte mir im Landschulheim die Wäsche waschen und so. Und natürlich kein feines Dämchen durfte sie sein, klar, damit sie mir nicht mit Ficken-ist-nicht und so kommen würde. Kurz und gut, ich wollte sie nicht gleich heiraten. Hoffentlich eine aus La Víbora oder Santos Suárez, die ließen immer tolle Partys steigen, und bis nach Párraga oder Lawton wollte ich dafür nicht pilgern. Und was in unserem Viertel so rumlief, interessierte mich nicht, das waren keine peppigen Mädchen, nicht mal kleine Schlampen; zu den Festen nahmen die sogar ihre Mütter mit. Am besten, wenn meine Zukünftige mit mir in derselben Gruppe war, auf der Liste standen mehr Mädchen als Jungen. Fast doppelt so viele, habs kurz überschlagen,

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