Verlockung der Leidenschaft: Roman (German Edition)
Kapitel 1
Es war bis zu diesem Vorfall ein absolut angenehmer Abend.
Lady Cecily Francis lächelte den jungen Mann, der sie von der Tanzfläche geleitete, liebenswürdig an. Sie nahm ein Glas Champagner vom Tablett eines vorbeigleitenden Lakaien und entschuldigte sich. Sie gab vor, sich für ein paar Minuten setzen zu müssen. Ihre Füße begannen zu schmerzen, da sie seit ihrem Eintreffen beim Ball zu jedem einzelnen Tanz aufgefordert worden war. Sie wurde belagert, das war vermutlich ein passender Ausdruck für das, was ihr widerfuhr. Obwohl sie sich von so viel Aufmerksamkeit geschmeichelt fühlte, hatte sie ihrer ersten Saison in der Londoner Gesellschaft nicht mit besonders viel Enthusiasmus entgegengesehen.
Für Cecilys Geschmack war der Ballsaal viel zu überfüllt, und das Summen hunderter Gespräche deutlich zu laut. Die Luft war schneidend. Aber wie ihr immer wieder von wohlmeinenden Tanten, Cousinen und anderen Familienmitgliedern – unter anderem ihrem Vater – versichert wurde, fand eine junge Frau keinen Ehemann, wenn sie auf dem Land auf einen wartete.
Sie entdeckte ihre Schwester, die mit einigen anderen jungen Ladys beisammenstand und mit ihnen plauderte. Cecily bahnte sich einen Weg zu ihnen. Keine leichte Aufgabe in diesem Gedränge. Als sie nur noch wenige Schritte entfernt war, passierte ein kleines Unglück. Ein ziemlich betrunkener Gentleman, der seinem Gegenüber eine Geschichte erzählte und dabei mit einem Arm eine weit ausholende Geste machte, stieß unglücklicherweise mit seinem Arm gegen Cecilys Ellbogen, und sie verschüttete einen Gutteil des Champagners über ihre Brust. Der Übeltäter war sich keiner Schuld bewusst, selbst dann nicht, als ihr ein erschrockener Laut entfuhr. Sie trug dieses Kleid heute zum ersten Mal, und blaue Seide vertrug sich nicht besonders gut mit Champagner. Einige Tropfen rannen sogar zwischen ihre Brüste.
»Erlaubt ihr?«
Sie blickte auf und schaute in die dunkelsten Augen, die sie jemals gesehen hatte. Diese Augen gehörten zu einem großgewachsenen Mann, der nun ein Leinentaschentuch aus seiner Manteltasche zog. Sie erkannte ihn sofort, schließlich redete der ganze haut ton seit Wochen über die Ankunft von Jonathan Bourne, den neuen Earl of Augustine. Man redete teils deshalb über ihn, weil er von fremdländischer Herkunft war, zum Teil aber, weil er berückend gut aussah.
»Ich danke Euch«, sagte sie erleichtert, obwohl sie ein wenig durcheinander war. Es fühlte sich merkwürdig an, die volle Aufmerksamkeit von Londons aktuell berüchtigtstem und zugleich als Heiratskandidat geeignetstem Earl zu haben. Denn zu seinem guten Aussehen kam hinzu, dass Bourne sehr wohlhabend war.
Allerdings überreichte er ihr das schneeweiße Stoffquadrat nicht. Nein, er beugte sich vor und begann, mitten in dem eleganten Gedränge des Londoner Ballsaals, kühn und eigenhändig den Fleck wegzuwischen.
Überrascht spürte Cecily das Streicheln des zarten Stoffs, der über ihre Kehle und die obere Wölbung ihrer Brüste glitt. Die Bewegung glich einer intimen Liebkosung. Es war fast so, als berührte er sie, ohne dass dieses dünne Stück Stoff zwischen ihrer feuchten Haut und seinen schlanken Fingern war. Sie spürte, wie die Hitze gegen ihren Willen in ihre Wangen schoss.
»Gern geschehen.« Er steckte das Taschentuch wieder ein. Seine Miene wirkte amüsiert.
Ein ziemlich bestürzter Teil von ihr konnte einfach nicht glauben, dass er soeben etwas so Unverschämtes getan hatte. Noch dazu vor den Augen all dieser Zeugen! Ein anderer, widerspenstiger Teil ihres Verstands war jedoch von der Wirkung seiner männlichen Schönheit fasziniert. Er war sündhaft dunkel, vom glatten, ebenholzdunklen Haar, das er der aktuellen Mode entsprechend zu einem Zopf gebunden trug, über die verführerischen Augen bis zu seiner bronzefarbenen Haut. Wenn man über seine ungewöhnliche Hautfarbe hinwegsah, war sein Knochenbau zudem fein modelliert – geschwungene Brauen, eine gerade Nase, ein leicht kantiges Kinn. Seine Unterlippe war etwas voller als die Oberlippe und verlieh seinem Mund einen sinnlichen Zug.
Er sah fremdländisch aus, und sein Akzent verstärkte diesen ersten Eindruck.
Sein schiefes Lächeln verriet ihr, dass er ganz genau wusste, welchen Eindruck er auf sie machte. Es war nicht unbedingt arrogant, strahlte aber auf jeden Fall eine für Männer typische Selbstsicherheit aus.
Diese unverhohlene Männlichkeit war kein englischer Wesenszug. Es war, als seien
Weitere Kostenlose Bücher