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Ein Profi. Stories vom verschütteten Leben

Ein Profi. Stories vom verschütteten Leben

Titel: Ein Profi. Stories vom verschütteten Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Bukowski
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ein gutaussehender Bursche. Von Mason hätte man das nie gesagt. Mason war alt. Neunundvierzig. Beinahe kahl. Hängende Schultern. Geschieden. Vier Jungs. Zwei davon im Zuchthaus. Es regnete immer noch. Es würde beinahe zwei Tage und drei Nächte lang regnen. Der Los Angeles River würde aus dem Häuschen geraten und so tun, als sei er ein Fluß.
    »Steh auf!« sagte Mason.
    Chonjacki stand auf. Mason wuchtete ihm die Linke in den Bauch, und als Chonjacki der Kopf nach vorne fiel, brachte er ihn mit einem rechten Aufwärtshaken wieder nach oben. Danach fühlte er sich ein bißchen besser. Wie nach einer Tasse Ovomaltine an einem scheißkalten Januartag. Er ging wieder zurück zum Drehstuhl und setzte sich. Diesmal steckte er sich keine Zigarette an. Er genehmigte sich seine 15-Cent-Zigarre. Die steckte er sich sonst immer erst nach dem Mittagessen an. Heute schon vorher. Soviel besser fühlte er sich. Innere Anspannung durfte man nicht ins Kraut schießen lassen. Sein Schwager war an einem Magengeschwür gestorben. Bloß weil er es nicht verstanden hatte, sich Luft zu machen.
    Chonjacki setzte sich wieder hin. Mason sah ihn an.
    »Baby, das hier ist ein Geschäft und kein Sport. Verletzte können wir nicht gebrauchen, ist das klar?«
    Chonjacki saß nur da und hörte dem Regen zu. Er fragte sich, ob sein Auto anspringen würde. Wenn es regnete, hatte er immer Schwierigkeiten, seine Karre anzuwerfen. Aber sonst war es ein guter Wagen.
    »Baby, ich hab gefragt, ob das klar ist.«
    »Oh, yeah, yeah …«
    »Zwei gebrochene Rippen. Zwei Rippen hast du Sonny Welborn gebrochen. Er ist unser bester Spieler.«
    »Moment mal! Der spielt doch für die Vultures. Welborn spielt für die Vultures. Wie kann er da euer bester Spieler sein.«
    »Arschloch! Die Vultures gehören doch uns!«
    »Die Vultures gehören euch?«
    »Yeah, du Arsch. Und die Angels und die Coyotes und die Cannibals und sämtliche übrigen Mannschaften in der Liga, die gehören alle uns, die ganzen Boys …«
    »Jessas …«
    »Nee, nix Jesus. Jesus hat damit nichts zu tun! Aber warte mal, da bringt mich doch dieses Arschloch direkt auf eine Idee …«
    Mason drehte sich mitsamt Stuhl zu Underwood um, der immer noch am Regen lehnte. »Das ist direkt ’n Gedanke«, sagte er.
    »Hm«, sagte Underwood.
    »Denk nicht immer nur ans Wichsen, Cliff. Mach dir auch mal ’n paar andere Gedanken.«
    »Über was denn?«
    »Christus auf Rollschuhen. Das eröffnet ungeahnte Möglichkeiten.«
    »Yeah. Yeah. Wir könnten den Teufel mit reinbringen.«
    »Das ist gut. Ja, den Teufel.«
    »Vielleicht können wir irgendwie sogar das Kreuz unterbringen.«
    »Das Kreuz? Nee, das ist zu zickig.«
    Mason drehte auf Chonjacki zurück. Chonjacki saß nach wie vor da. Das überraschte ihn nicht. Es hätte ihn auch nicht überrascht, wenn auf einmal ein Affe dagesessen hätte. Dazu war Mason schon viel zu viel herumgekommen. Doch es war kein Affe, es war Chonjacki. Er mußte sich mit Chonjacki befassen. Die Pflicht, die leidige Pflicht. Was tut man nicht alles für die Miete, einen gelegentlichen Fick und eine Beerdigung auf dem Land. Hunde hatten Flöhe, Männer hatten Schwulitäten.
    »Chonjacki«, sagte er, »nun laß dir bitte mal was erklären. Hörst du mir auch zu? Bist du überhaupt fähig zuzuhören?«
    »Ich hör schon zu.«
    »Wir sind ein Unternehmen. Wir arbeiten fünf Tage die Woche. Wir sind im Fernsehen. Wir ernähren viele Familien. Wir zahlen Steuern. Wir gehn zur Wahl. Von den Scheißbullen kriegen wir Strafzettel wie jeder andere auch. Wir kriegen Zahnschmerzen, Schlaflosigkeit, Geschlechtskrankheiten. Wir müssen Weihnachten und Neujahr über uns ergehen lassen wie alle anderen. Verstehst du?«
    »Ja.«
    »Ab und zu kriegen wir sogar Depressionen. Wenigstens manche von uns. Wir sind auch nur Menschen. Sogar ich kriege Depressionen. Manchmal würde ich nachts am liebsten heulen. Und gestern nacht war mir weiß Gott nach Heulen zumute, als du Welborn zwei Rippen gebrochen hattest …«
    »Er ist auf mich losgegangen, Mr. Mason!«
    »Chonjacki. Welborn würde deiner Großmutter kein Haar aus der linken Achselhöhle rupfen. Er liest Sokrates, Robert Duncan und W. H. Auden. Er ist seit fünf Jahren in der Liga, und was er sich in dieser Zeit an roher Gewalt geleistet hat, das würde nicht mal eine gottesfürchtige Motte aufregen …«
    »Er ist aber auf mich losgegangen, er hat ausgeholt und gebrüllt …«
    »Ach du lieber Gott«, sagte Mason leise. Er legte seine

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