Ein Profi. Stories vom verschütteten Leben
mit«.
Sie ging die Stufen zu einem Gebäude hoch. Wir befanden uns im Geschäftsviertel.
»Hey, wo zum Teufel willst du denn da rein?«
Sie steckte einen Schlüssel in die Tür, und die Tür ging auf. Ich sah hoch, und über dem Portal war das Wort RATHAUS in den Stein gemeißelt.
Wir gingen hinein.
»Ich will mal nachsehen, ob Post für mich da ist.«
Sie ging in ihr Büro und kramte einen Schreibtisch durch.
»Verdammt, keine Post!! Jede Wette, daß mir dieses Biest wieder meine Post gestohlen hat!«
»Was für’n Biest? Was’n für’n Biest, Baby?«
»Ich hab hier einen Feind. Komm weiter.«
Wir gingen den Korridor entlang. Vor einer Tür blieb sie stehen. Sie gab mir eine Haarnadel.
»Da, versuch mal, ob du das Schloß aufkriegst.«
Ich stand da und murkste herum. Ich sah schon die Schlagzeile:
BEKANNTER SCHRIFTSTELLER UND EHEMALIGE PROSTITUIERTE BEI EINBRUCHSVERSUCH IM BÜRGERMEISTERAMT ERTAPPT!
Ich kriegte das Schloß nicht auf.
Wir gingen zu ihr nach Hause, sprangen ins Bett und brachten zu Ende, was wir im Bus angefangen hatten.
Einige Tage später läutete es um 9 Uhr morgens an der Tür. Wir lagen im Bett.
»Was soll der Scheiß?« fragte ich.
»Geh schon, mach auf«, sagte sie.
Ich zog mir was an und ging zur Tür. Draußen stand ein Zwerg, der alle Augenblicke von einem inneren Beben geschüttelt wurde, er hatte irgendein Leiden. Auf seinem Kopf saß eine kleine Chauffeurmütze.
»Mr. Chinaski?«
»Yeah?«
»Mr. Dyer hat mich gebeten, Ihnen den Besitz zu zeigen.«
»Augenblick mal.«
Ich ging wieder rein zu ihr. »Baby, da draußen steht ein Zwerg und sagt, ein Mr. Dyer möchte mir seinen Besitz zeigen. Er ist ein Zwerg, und er zittert am ganzen Leib.«
»Na, geh schon mit. Das ist mein Vater.«
»Wer, der Zwerg?«
»Nein, Mr. Dyer.«
Ich zog mir Schuhe und Strümpfe an und ging raus auf die Veranda.
»Okay, Freund«, sagte ich. »Kann losgehn.«
Wir fuhren in der ganzen Stadt herum und dann aus der Stadt heraus.
»Das gehört Mr. Dyer«, sagte der Zwerg und zeigte auf etwas, und ich sah hin. »Und das gehört auch Mr. Dyer«, und ich sah mir das auch an.
Ich sagte kein Wort.
»Die ganzen Farmen da«, sagte er, »die gehören alle Mr. Dyer, und er läßt die Leute drauf arbeiten und gibt ihnen die Hälfte vom Gewinn.«
Dann fuhr der Zwerg mit mir durch einen Wald.
»Sehn Sie den Teich da?« fragte er und zeigte darauf.
»Yeah.«
»Fischteich. So wie den gibts nochmal sechs da drin. Sehn Sie die Truthähne, die hier rumlaufen?«
»Yeah.«
»Das sind wilde Truthähne. Mr. Dyer hat das alles an einen Angler- und Jagdsportverein verpachtet. Der hält das alles in Schuß. Natürlich können Mr. Dyer und seine Freunde hier jederzeit rein. Tun Sie auch angeln oder Wild schießen?«
»Geschossen hab ich schon ziemlich viel in meinem Leben«, sagte ich zu ihm.
Wir fuhren weiter.
»Da drüben ist Mr. Dyer zur Schule gegangen.«
»Ach ja?«
»Yup. Direkt da in dem Backsteinbau. Jetzt hat er’s gekauft und restaurieren lassen. So ’ne Art Monument.«
»Bemerkenswert.«
Er fuhr mich wieder nach Hause.
»Danke«, sagte ich.
»Soll ich morgen früh wiederkommen? Es gibt noch mehr zu sehen.«
»Nee danke, das reicht.«
Ich ging wieder zu ihr rein. Ich war wieder König …
Und es wird gut sein, wenn ich’s damit enden lasse, statt noch zu erzählen, wie ich alles wieder verlor, und daß ich das einem Türken verdankte, der eine purpurne Krawattennadel trug und gute Manieren hatte und Kultur. Gegen den hatte ich keine Chance. Aber der Türke nutzte sich auch ab, und als ich das letzte Mal von ihr hörte, war sie in Alaska und hatte einen Eskimo geheiratet. Sie schickte mir ein Foto von ihrem Kind, und sie sagte, sie schreibe nach wie vor und sie sei wahrhaft glücklich. Ich schrieb zurück: »Häng dich dran, Baby, es ist eine verrückte Welt.« Und das, wie man so schön sagt, war das.
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