Ein Pyrenäenbuch
bitte.
Es ist das Ende. Die rötesten
Mäntel bringen ihn nicht mehr zum Aufsehen, er brüllt dumpf, fällt zur Seite,
zuckt... Aus. Gruß an die Loge, grauer Zylinder, Hüteschwenken, Bravo, Hoch und
Dank. ‹L’Arrastre›: ein sechsfaches Eselsgespann schleift den Stier und die
beiden Pferde hinaus. Der nächste.
Der nächste ist ein junger,
aufgeregter Herr, der wie ein Bajazzo aus seinem Stall herausgepurzelt kommt.
Er macht den Leuten viel zu schaffen, und das soll er ja wohl auch. Er zerstößt
das Pferd, das ihm sein Vorgänger leichtverwundet zurückgelassen hat, zu einem
bösen Klumpen, der Picador fällt herunter, es geschieht ihm aber nichts. Der
Stier zerquält ein Pferd, so daß es sich schon nach dem ersten Stoß nicht mehr
erheben kann — und da liegt es. Ich kann genau das Auge sehen, das große,
sanfte Auge. Das Auge versteht nicht. Es sagt: «Warum? warum?» — Es dauert
lange, bis der Mann mit dem kleinen handfesten Messer kommt, das schnell wie
ein Keil in den Schädel geschlagen wird... es dauert so lange. Die Kapelle
spielt, ein sanfter Walzer wogt über das sterbende, graue Pferd hin, weich und
schaukelnd — ich weiß, wie der im Sand ruhende Körper unten aussieht... Da
kommt der Abdecker. Le reste n’existe pas.
Dieser Stier hat einen schweren
Tod. Der Toreador verbraucht 6 (in Buchstaben: sechs) Degen, bis er ihn so weit
hat — und das Publikum wird ungeduldig. «Schlächterei!» schreien die fein
empfindenden Leute. Weiße Taschentücher wehen zum Präsidenten hinauf — aber der
rührt sich nicht, sondern sieht, den Kopf auf die Brüstung gelehnt, gelangweilt
zu. Seine Damen gucken gar nicht hin. Nun fällt der Stier. Erlöster, nicht
einstimmiger Beifall.
Aber während alles um den
sterbenden Stier beschäftigt ist, liegt an der Ostwand des Zirkus im Sand das
graue Pferd. Sie haben es mit einer Decke zugedeckt, man sieht das Hinterteil
und den Schwanz. Es ruht. Und mir ist, als glänze dieser Kadaver mit einem
sanften Schein um sich.
Nummer drei will gar nicht aus
dem Stall. Hohngebrüll der Arena: «Feigling!» Das kann er nicht auf sich sitzen
lassen. Er kommt, passiert die beiden Torwächter, die ihm zwei kleine Haken
applizieren... dann machte er seine siebenundsiebzig Stationen durch.
So sechs. Schnaubende Mäuler, sich
bäumende Pferde, Pferde, die nicht wollen, aber herangezerrt werden, einmal ein
Kunststück des Matadors: er neckt sitzend den böse gemachten Stier im Nacken,
er rückt auf dem kleinen Holzstreifen, der die Arena innen wie eine runde Bank
umgibt, immer näher an ihn heran, gibt ihm also die Zehntelsekunde vor, die er
zum Aufstehen braucht — in diesem Spiel, wo es um die Zehntelsekunde geht...
Und auch dieser Stier ist in einer Viertelstunde draußen, gezogen von den
Mauleseln mit den roten Pompons. Ein Torero, Emilio Mendez, steht wie eine
Bildsäule, bevor er zusticht, in einer vornübergebeugten Haltung leicht, wie
auf dem Theater... Es ist ein dunkler, schwarzer Mann, in diesem Augenblicke
sieht er genau aus wie Walter Hasenclever. Ein Stier wandelt mit einem
Widerhaken im Nacken umher, als gehe ihn das Weitere nun nichts mehr an. Die
Tücherleute machen die Muleta: Kein Allotria! Hier! Sterben gehn! Und da
bequemt er sich denn.
Bei alledem ist kein
Stierkämpfer ohne Schrammen und Wunden; bekommt ihn der Stier auch nur selten
zu fassen, so ritzt er ihn doch oft mit dem Horn. Was viel gefährlicher
auslaufen kann, als es den Anschein hat: ist das Horn vorher in den Eingeweiden
der Pferde gewesen oder hat es auch nur Erde aufgewühlt, so riskiert der so
leicht Verwundete den Tetanus.
Kurz vor Schluß gehe ich
hinaus. Draußen umlagern die Kutscher, die Chauffeure, Knechte und Volk das
Arenagelände. Es steht hoch gegen den Himmel und sieht auf einmal böse aus. Ein
Stierkampf von draußen... Ich weiß jetzt, was da drin geschieht — ich höre es
an den Schreien. Zunächst bleibt alles still. Jetzt, jetzt muß er an sein Pferd
geraten sein, ich fühle bis hierher den dumpfen Zusammenstoß. Die Arena
schreit, «Hjai!» wie aus einer Kehle. «Hjai —!» Und dann ein langes Brausen und
wirres Rufen... Langsam schlendere ich durch die Wagen.
Sind das Lieblinge, die
Toreadore! Die Spanier verehren ihre Stierhelden wie die Halbgötter. Der große
Tenor der Arena, Nacional II, hat vor ein paar Tagen, nachdem sie ihm bei einer
Meinungsverschiedenheit den Kopf mit einer Weinflasche eingeschlagen haben, ein
Begräbnis gehabt wie ein General. Pein Pantheon
Weitere Kostenlose Bücher