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Ein Pyrenäenbuch

Ein Pyrenäenbuch

Titel: Ein Pyrenäenbuch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Tucholsky
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wäre ihnen für die großen
Männer zu schade. Nun, das ist wohl überall dasselbe — nur gibt es sich
anderswo wissenschaftlicher, gebildeter, immer mit dem Kulturfortschritt im
Prospekt...
    Herrgott aus Spanien! Wenn du
Sonntag vormittags auf dein Land heruntersiehst, so steigen dir wohlgefällige
Düfte in die Nase, süßer Weihrauch und die Lobreden deiner fetten Pfaffen. Wenn
du aber nachmittags herunterhörst, so hörst du aus dreißig und vierzig Arenen:
«Hjai —!», hörst das Blasen der Bandas, das wirre Rufen und das Brüllen der
sterbenden Tiere. Jeden Sonntag. Im Jahre 1924, lieber Gott, war es
zweihundertachtundvierzigmal, daß du das in Spanien hören konntest — und dabei
sind nicht die simplen Spiele mitgerechnet, die sich halbwüchsige Bauernknechte
in kleinen Flecken mit den ganz jungen Tieren erlauben. Nur die offiziellen:
zweihundertachtundvierzig. In Frankreich für dasselbe Jahr: sechzehn. Nicht viel
— aber immer noch mehr als damals, als man im Jahre 1857 die Stierkämpfer zum
Lande hinausjagte. Das Verbot ist praktisch längst außer Kraft gesetzt. Sie
sind alle wieder da. Und sie heiligen deinen Feiertag.
    Da kommen die Leute zu Häuf aus
dem Mordturm — wenn ich noch einen Wagen haben will, muß ich mich beeilen.
    Eine Barbarei.
    Aber wenn sie morgen wieder
ist: ich gehe wieder hin.
     
     

Ausflug zu den reichen Leuten
     
    Wer weniger Geld hat als wir,
dem fehlen die materiellen Voraussetzungen, das Leben voll zu genießen.
Sicherlich schlummern auch im Arbeiter unerlöste kulturelle Bestrebungen, aber
Sie müssen nicht vergessen, Herr Ministerialrat, die Tiefergestellten wollen
vielleicht, aber sie können nicht. Ich bitte Sie, was haben denn diese Leute
für Interessen!
    Wer mehr Geld hat als wir, ist
ein Trottel. Er hat wohl materiell alles, was er braucht, aber ihm fehlt doch
unsre Kultur. Die neuen Reichen, Herr Ministerialrat, können alle, aber sie
wollen ja gar nicht. Ich bitte Sie, was haben denn diese Leute für Interessen!
    Die armen Reichen. Sie haben
wirklich keine gute Presse.
    «...jene feierliche Ironie, die
ich bei allen Leuten mit bescheidnem Einkommen bemerkt habe, mit denen ich in
Beziehung stehe», heißt es in dem reizvollen Tagebuch des Milliardärs A. O.
Barnabooth, von Valéry Larbaud. «Ich rede sie ohne Hintergedanken an, von
Mensch zu Mensch, ganz familiär, wie das zum Beispiel die Amerikaner lieben.
Aber sie verbeugen sich, und wenn der Kopf ganz unten ist, stecken sie mir die
Zunge heraus. Sie drücken mir die Hand wie auf einem Begräbnis, und ich fühle
die ganze Verachtung, die sie für mich haben. Sie verstecken ihre Gefühle nicht
einmal; denn wenn sie ihr hochachtungsvoll ergebenes Gesicht aufziehen, halten
sie einen Milliardär für viel zu dämlich, als daß er etwa merken könnte, wie
man ihm schmeichelt. Es sind sehr subtile Herrschaften. Ich habe erst
geglaubt», sagt der Reiche, «daß diese stillschweigende Ironie das Grinsen des
Neides ist... Aber nein, das ist kein Neid: es ist die Unfähigkeit, die Augen
aufzumachen und über gewisse Vorstellungen hinauszusehen. Es ist einfach
Beschränktheit.»
    Denn weil sich jeder eine Welt
macht, in deren Mittelpunkt er selber steht, so verneint er die der andern, deren
Weltbild ihn etwa an die Wand klemmen könnte. So heben denn silbergepunzte
Demokratenfrauen die armen Arbeiter, die es nicht besser wissen, und verachten
die reichen Milliardäre, die es nicht besser wissen. Reiche Leute haben eine
gefügige Presse. Reiche Leute haben keine gute Presse.
    In Biarritz kommen sie wild
vor. Der nach Fischen riechende Winkel, als den Taine den Ort noch in den
fünfziger Jahren angetroffen hat, ist durch den spanischen Adel und vorzüglich
durch die Queen, der die englische Aristokratie todesmutig nachfolgte, erst zu
dem geworden, was es heute ist. Es liegt entzückend: die silbrig-blaue Küste
mit Felsen, die kunstvoll durchbrochen sind, so daß man darin Spazierengehen
kann, Blumenanlagen: es wächst da ein niedriger Baum mit hellgrünem,
zartgefiedertem Laub, der wie ein Mohrrübenbaum aussieht, und an bestimmten
Stellen zu bestimmten Stunden geht es auch recht elegant her, nur das
allgemeine Straßenbild ist nicht elegant. Allerdings spielt sich ‹Biarritz› auf
den Besitzungen der reichen Leute ab, in den Klubs, den Parks, den kleinen und
großen Villen am Meer und in den Schlössern, die von der Küste entfernt liegen.
Will man französische Eleganz beschreiben, so muß man nie vergessen, daß

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