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Ein reiner Schrei (German Edition)

Ein reiner Schrei (German Edition)

Titel: Ein reiner Schrei (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Siobhan Dowd
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Priester mit krankender Berufung. Für solche, bei denen es nicht so gut läuft.«
    Sie starrte ihn verwirrt an.
    »Es ist eine Rückzugsmöglichkeit für zweifelnde Geistliche.«
    »Und das sind Sie – ein zweifelnder Geistlicher?«
    »Ich befinde mich in einer spirituellen Krise, Shell.«
    Sie sah ihn vor sich, in der dunklen Kirche, an jenem Tag, an dem die Wehen einsetzten. Bist du gekommen, um vor dem Regen Schutz zu suchen, Shell? Wenigstens diesen Nutzen haben Kirchen. »Ich verstehe nicht«, sagte sie und sah ihn fragend an. »Was ist es denn, woran Sie zweifeln?«
    »Soll ich es dir wirklich erzählen?«
    »Ja, Pater«, sagte sie leise. »Wenn Sie möchten.«
    Er lehnte sich ans Klavier und fuhr lautlos mit den Fingern über die gerade erst entstaubten Tasten. »Wenn ich früher eine Kirche betrat, Shell, dann spürte ich, dass dort etwas war, und zwar in jeder Kirche. Der Duft des Göttlichen, etwas, das mehr war als nur Steine. Ich spürte es jedes Mal und jedes Mal machte es mich froh. Doch letztes Jahr ist mir dieses Gefühl hier in Coolbar abhandengekommen.«
    »Abhanden?« Mit meinem eigenen Zustand der Gnade. »Wie meinen Sie das?«
    »Ich habe stundenlang in dieser Kirche gesessen. Ich habe meinen Geist erforscht, in jeder Nische gesucht, hinter jeder Statue, in den Kirchenbänken und oben beim Tabernakel. Ich habe in das ewige Licht gestarrt, aber alles, was ich hörte, war der Wind. Alles, was ich roch, war der Geruch der Holzpolitur. Ich habe nur mich selbst gespürt, verlassen in einem Universum der Einsamkeit. Und in den Gesichtern der Gemeindemitglieder habe ich nicht das Abbild Gottes gesehen, wie es sein sollte. Ich habe etwas gesehen, was zerbrechlicher ist. Und viel mehr der Endlichkeit verhaftet.«
    »Pater … Pater Rose …«, stammelte Shell.
    Er hob lächelnd eine Augenbraue.
    »Ich habe dasselbe gespürt. Ich auch. Das Holz und den Wind in der Kirche, die Leere. Aber dann kamen Sie und alles wurde anders. Sie haben es verändert. Sie haben mich dazu gebracht, wieder zu glauben. An Jesus. An den Himmel. Und dann kam Mum zu mir zurück. Von den Geistern.«
    »Wirklich, Shell?«
    Sie nickte. »Sie kommt immer noch, in merkwürdigen Momenten. Sie setzt sich ans Klavier, wo Sie jetzt sitzen. Und wenn Jimmy da ist, ist sie in ihm und führt seine Finger über die Tasten, ich weiß es.«
    Er lächelte sie an.
    »Sie haben das gemacht, Pater. Sie haben bewirkt, dass sie wiedergekommen ist. Erst nachdem ich Ihnen zugehört hatte, begann ich zu spüren, dass sie in meiner Nähe war.«
    Er schüttelte den Kopf. »Wenn sie zurückgekommen ist, dann hast du sie selbst zurückgeholt«, sagte er. »Nicht ich.« Er zog einen gefalteten Zettel aus seiner Tasche. »Hier ist eine Adresse für dich, Shell. Die meiner Mutter. Wenn du dorthin schreibst, wird mich dein Brief jederzeit erreichen, egal wo ich bin.«
    Er reichte ihr das Stück Papier und erhob sich, um zu gehen.
    »Pater …« Sie suchte nach einer Frage, irgendeiner, damit er noch blieb. »Wie lange werden Sie in Offaly bleiben müssen?«
    »Tage, Wochen. Vielleicht Monate. Bis mein Weg sich klärt. Wir müssen übereinstimmen, die Kirche und ich. Wir müssen zu ein und derselben Haltung finden.« Mit diesen Worten schritt er zur Tür. Shell folgte ihm hinaus in den Hof und sah zu, wie er in sein Auto stieg. Auf dem Beifahrersitz lag wie immer der vertraute Krimskrams. Die Zigaretten. Eine Karte. Der Führerschein. Pater Rose kurbelte das Fenster herunter.
    »Pater …«, stammelte sie, als der Motor ansprang.
    »Ja, Shell?«
    »Spüren Sie manchmal Michael?«, platzte sie heraus. »So wie ich Mum spüren kann?«
    Der Motor stotterte und ging aus. »Michael?«
    »Ihren Bruder.«
    Er legte die Hände auf das Lenkrad und starrte auf den glatten Acker, der sich den Hang hinauf erstreckte. Die Reste des gelben Bandes, das die Stelle der Exhumierung markierte, flatterten im Wind. Oben auf dem Hügel waren zwischen den Bäumen die kauernden Gestalten von Trix und Jimmy zu erkennen. »Komisch, dass du danach fragst. Früher habe ich ihn gespürt. Kurz nach seinem Tod. Michael hatte sich immer gewünscht Priester zu werden, ich nicht. Ich war mehr dieser verrückte, unbedachte Tollkopf. Es war, als würde er mich dazu auffordern, dem Ruf zu folgen und dort weiterzumachen, wo er aufgehört hatte. Aber irgendwann in meinen Teenagerjahren begann er zu schweigen.«
    »Wirklich?«
    »Ja. Vielleicht hatte er einfach nichts mehr zu sagen. Ich hatte

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