Ein Schuss Liebe kann nicht schaden
setzte Linette sich auf und blickte Hope an. „Was soll ich denn nur tun? Ich werde noch als alte Jungfer enden!“
„Wenn ein Mann dich nur wegen deinen Haaren liebt, dann ist er nicht der Mann, den du haben willst. Außerdem – wenn du gedacht hast, dass ein Mann sich mal nur wegen deiner Haare in dich verliebt, dann hätte das doch schon längst passiert sein müssen. Es scheint mir, als würdest du ganz schön viel Hoffnung in etwas setzen, das eigentlich gar nicht so wichtig ist.“
„Du hast gut reden.“ Linette ließ sich auf den Rücken fallen. „Du hast deine schönen Haare noch.“
„Du hast deine Haare auch noch. Sie sind nur kürzer. Es ist ja nicht so, dass du eine Glatze hast. Hab ich nicht irgendwo gehört, dass Tim Creighton vor einiger Zeit Sydneys Haare abgeschnitten hat? Es hat ihn jedenfalls nicht davon abgehalten, sie trotzdem zu heiraten.“
Linette sah immer noch so aus, als würde sie gleich wieder hysterisch werden.
„Außerdem weiß ich immer noch nicht, was so schlimm daran ist, wenn eine Frau nicht verheiratet ist.“ Sie hob warnend den Zeigefinger. „Bevor du dazu was sagst, denk daran, dass ich auch nicht verheiratet bin.“
Linettes tränennasse Augen weiteten sich.
„Ganz genau. Oder siehst du einen Ehering an meinem Finger?“ Hope hielt ihr ihre Hände hin und wackelte mit den Fingern. „Ich lebe ein gutes Leben, helfe vielen Menschen und finde immer wieder neue Freunde. Der Apostel Paulus sagt, dass wir zufrieden sein sollen, wo auch immer wir sind und mit dem, was wir haben.“
„Aber wie kann ich zufrieden sein, wenn ich keinen Mann habe?“
Und wie kann ich zufrieden sein, wenn ich den Mann, den ich liebe, gefunden habe, aber er mich nicht will?
Linette wartete die Antwort erst gar nicht ab. „Keiner versteht mich. Mrs Whittsley – kennst du sie?“
„Sie ist die weißhaarige, alte Frau?“
„Die mit dem Stock – nicht die mit den braun-weißen Haaren, die immer vor dem Saloon steht. Das ist die Witwe O’Toole. Selbst die ist eine Witwe – das heißt, dass sich wenigstens irgendwann einmal ein Mann in sie verliebt hat!“
„Was wolltest du über Mrs Wittsley sagen?“, fragte Hope.
Linettes Unterlippe zitterte. „Bei einem unserer Nähtreffen letztes Jahr, vor allen Leuten, hat sie mit ihrem schrecklichen Gehstock auf mich gedeutet und gesagt, dass ich meine jugendliche Schönheit verschwende, weil ich mir Sorgen über die Zukunft mache.“ Wieder kamen ihr die Tränen und liefen ihr übers Gesicht. „Nur eine Stunde später hat sie einer der Frauen erzählt, dass sie mit zwanzig schon zwei Kinder hatte und wieder schwanger war. Ich werde nächsten Monat schon dreiundzwanzig!“
„Ich bin noch älter als du. Ich bin schon vierundzwanzig.“ Hope zog ein Taschentuch aus ihrer Schürzentasche und drückte es Linette in die Hand. „Aber ich glaube nicht, dass es auf die Jahre ankommt, die wir schon hinter uns haben. Auch nicht auf die, die noch vor uns liegen. Es kommt darauf an, was wir mit jedem Tag machen, den der Herr uns gibt.“
„Der Tag heute ist grausam! Meine Haare sind so kurz wie bei einem Jungen. Meine Schwestern planen ihre Hochzeit, und ich werde morgen genauso traurig und einsam sein wie heute.“
Herr, du hast mich hierher geschickt. Du hast sicher nicht gewollt, dass ich morgen von hier weggehe und mich immer wieder frage, was hätte sein können. Sie drückte Linettes Hand. „Du und ich – wir werden nie glücklich werden, solange wir erwarten, dass uns jemand anders glücklich macht. Wir müssen uns selbst glücklich machen.“
„Aber ...“, fragte Linette leise und zögernd, „willst du denn gar nicht heiraten?“
Vor ein paar Wochen hätte Hope über die Antwort gar nicht erst nachdenken müssen. Doch heute traf sie die Frage hart. Ich möchte gerne heiraten. Ich will Jakobs Frau werden. Aber er will mich wegschicken. Er hat es selbst gesagt.
„Eines Tages, wenn Gott mir einen Mann über den Weg schickt, der mich wirklich liebt, dann werde ich gerne heiraten.“ Hope betete, dass Linette den Schmerz in ihrer Stimme nicht hören würde. „Aber nur dann.“
* * *
Jakob fuhr mit der Kutsche auf den Hof und schaute sich um. Es war ungewöhnlich still. Er war einen Tag länger auf der alten Familienfarm geblieben. Mrs Volkner und ihre Tochter hatten ihm geholfen, viele der Sachen zusammenzupacken, die er zurücklassen musste, als er Annie damals geholt hatte. Annie liebte das alte Geschirr ihrer Mutter und die
Weitere Kostenlose Bücher