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Ein schwarzer Vogel

Ein schwarzer Vogel

Titel: Ein schwarzer Vogel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A. A. Fair
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Einzelheiten durchzugehen. Mitten in der Unterhaltung schluchzte Maria
Gonzales plötzlich und begann zu weinen. Sie versuchte ihr Schluchzen mit einem
Taschentuch, das sie aus ihrer Handtasche zog, zu unterdrücken. Aber während
sie sich ihrem Kummer hingab, fiel ihr plötzlich etwas anderes ein. Sie senkte
das Taschentuch, hob ihre tränenden Augen zu Sharples und ließ im Tempo von
dreihundert Worten pro Minute einen Schwall Spanisch auf ihn los. Was ihr auch
in den Sinn gekommen sein mochte, Sharples wollte nun einmal nicht darüber
reden. Er hob die linke Hand mit einer Bewegung, als weise er etwas weit von
sich, und stieß einen kurzen Befehl aus. Auch ohne Spanisch zu können, war sein
nachdrückliches Nein für mich nicht mißzuverstehen.
    Danach gab sich die Frau wieder
ihrem stillen Schluchzen hin, und Sharples beendete seine Liste.
    »Was mache ich jetzt damit?«
fragte er.
    Ich deutete auf den Polizisten
an der Tür. »Geben Sie ihm die Liste, und sagen Sie ihm, daß Buda sie haben
will.«
    Sharples tat, wie ich ihm
geraten hatte.
    »Damit dürften wir hier fertig
sein«, sagte ich und ging zur Tür. Sharples drehte sich um und wartete auf ein
Zeichen des Polizisten. Der winkte mit der Hand, um anzudeuten, daß wir gehen
könnten, wohin es uns beliebte.
    Auf dem halben Wege zur Treppe
fiel Sharples noch etwas ein, und er wollte sich noch einmal an die
Haushälterin wenden.
    »Lieber nicht«, warnte ich ihn
leise. »Sie haben Ihr Glück schon genug herausgefordert. Wenn Sie zurückgehen
und wieder mit der spanischen Quasselei anfangen, wird sogar dieser dämliche
Polizist Verdacht schöpfen.«
    Mit der Miene beleidigter
Unschuld fragte Sharples scharf: »Was wollen Sie mit dieser Bemerkung sagen?«
    »Daß es jetzt besser für Sie
ist, wenn Sie das Haus verlassen. Sonst nichts.«
    »Trotzdem. Ihre Bemerkung
gefällt mir nicht«, erwiderte Sharples. Aber er ging weiter, die Treppe
hinunter, durch das Haus und auf die Straße hinaus.
     
     
     

Sechstes Kapitel
EINE ARME WAISE
     
    D raußen im Wagen sagte Sharples:
»Lam, ich möchte Sie jetzt zu Shirley Bruce mitnehmen. Ich will der erste sein,
der ihr Camerons Tod mitteilt, und ich will herausbekommen, was es mit dem
verdammten Kollier auf sich hat.«
    »Mir soll es recht sein. Es war
in unserem Preis einbegriffen.«
    Seine Hand zitterte, als er den
Motor anließ, und das Getriebe knackste laut beim Einschalten des Ganges. Bei
der zweiten Kreuzung übersah er das rote Licht und berührte mit der Stoßstange
den hinter ihm haltenden Wagen, als er zurücksetzen wollte.
    »Soll ich nicht lieber fahren?«
fragte ich.
    »Ja, bitte. Ich bin doch etwas
stark mitgenommen.«
    Wir wechselten die Plätze, und
Sharples dirigierte mich in ein vornehmes Wohnviertel des Westens. An unserem
Ziel angekommen, fragte ich ausdrücklich nochmals, ob ich mitkommen solle. Er
bejahte meine Frage.
    Als Shirley Bruce die Tür
öffnete, sah sie mich zuerst gar nicht. Mit einem Freudenschrei stürzte sie
sich auf Sharples, und ohne seinen Versuch zu beachten, die Würde zu wahren,
schlang sie beide Arme um seinen Hals und schlenkerte mit einem Fuß in der
Luft. »Onkel Harry«, rief sie und küßte ihn stürmisch und nahezu
leidenschaftlich auf den Mund, ehe sie ihm Gelegenheit gab, zu sagen: »Shirley,
ich möchte dich mit... einem Freund... bekannt machen. Dies ist Mr. Donald
Lam.«
    Sofort ließ sie Sharples los,
errötete und sah mich einen Moment verlegen an. Dann reichte sie mir die Hand
und bat uns, hereinzukommen und Platz zu nehmen.
    Sie war dunkelhaarig und
rassig. Sie erinnerte an den Glanz und das Feuer eines schwarzen Opals. Ihre
Figur wäre für Titelseiten großer Illustrierten ein erstklassiger Blickfang
gewesen. Sie hatte herrliche Augen und wohlgeformte Beine. Zwischen hohen
Backenknochen saß ein keckes Stupsnäschen und darunter ein zierlicher Mund. Die
Ausdrücke ihrer Empfindungen glitten über ihr Gesicht wie die Schatten
dahinziehender Wolken über eine Landschaft. Nach den ersten stürmischen
Wallungen zeigte sie sich nun sehr gesetzt, aber das hatte wohl nicht viel zu
bedeuten.
    Mit ihrem Taschentuch entfernte
sie den Lippenstift von Sharples’ Gesicht. Dann bearbeitete sie ihren Mund mit
dem Lippenstift vor dem Spiegel der Puderdose. Sie legte so viel Rouge auf ihre
Lippen, bis sie wie überreife Erdbeeren aussahen, die zum Hineinbeißen
verlockten. Während dieser Verschönerungsprozedur plauderte sie ununterbrochen.
    »Es war höchste Zeit, daß

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