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Ein schwarzer Vogel

Ein schwarzer Vogel

Titel: Ein schwarzer Vogel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A. A. Fair
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Schulter zu. Mit dieser einfachen Geste schloß sie
mich so wirksam von der Unterhaltung aus, als habe sie mich aus dem Zimmer
gestoßen.
    »Warum mußte er sterben, Onkel
Harry? Er war so gut, so freundlich und aufmerksam. Auch so rücksichtsvoll
gegenüber anderen und vor allem... so großzügig. Er war ein so netter Mann.«
    Sharples nickte stumm.
    Impulsiv ging sie zu ihm
hinüber, setzte sich auf die Armlehne seines Sessels und strich mit der Hand
sanft über sein Haar. Ganz überraschend begann sie plötzlich zu weinen. Sie
achtete nicht darauf, daß die Tränen ihr Make-up verschmierten, die
Wimperntusche auflösten und graue Streifen über ihr Gesicht zogen.
Unwillkürlich mußte ich an Fensterscheiben in einem Fabrikviertel denken, wenn
die ersten Regentropfen den Ruß und Staub in grauen Bahnen herunterspülen.
    »Nimm dich in acht, Onkel
Harry«, sagte sie schluchzend. »Du bist der einzige Mensch in der Welt, den ich
habe.«
    Man sah Harry Sharples an, wie
glatt ihm das ‘runterging.
    »Warum sagst du das, Shirley?«
fragte er.
    »Weil ich dich so lieb habe und
weil... oh, liebster Onkel Harry, ich bin so allein auf der Welt.«
    »Hat Bob Cameron dir irgend
etwas gesagt?« fragte er. »Ich meine, daß er sich bedroht fühlte oder etwas
Derartiges?«
    Sie schüttelte ihr von den
Tränen verunstaltetes Gesicht.
    »Ich begreife es nicht«, sagte
Sharples. »Ich kann es einfach nicht fassen.«
    Er legte seinen Arm um ihre
Taille und klopfte ihr aufmunternd auf die Hüfte. Dann stand er mühsam auf.
»Ich muß gehen, Shirley«, sagte er, »ich habe viel zu tun und muß Mr. Lam zu
seinem Büro zurückbringen. Ich habe versprochen, nur einen Moment
hierzubleiben.«
    Sie war wieder gnädig zu mir.
Die Tränen hatten ihren Zorn weggeschwemmt. Sie reichte mir ihre weiche,
anschmiegsame Hand und sagte ein paar höfliche Worte. Mit den Augen liebkoste
sie Harry Sharples. Der rote Lippenstift auf ihrem Mund veranlaßte ihn, Abstand
zu wahren. Ich fragte mich, ob er ihren Küssen gegenüber auch dann so
zurückhaltend war, wenn er sein Mündel ohne die Gesellschaft eines anderen
besuchte.
    Ehe sie die Tür schloß, suchte
sie mit ihren Augen seinen Blick. »Laß mich nicht so allein, Onkel Harry, komme
wieder, sobald du kannst, bitte.«
    Das versprach er. Als wir den
Korridor entlanggingen, fragte ich Sharples unvermittelt: »Sie weigert sich
also entschieden, Geld aus dem Nachlaß anzunehmen, wenn Hockley nicht das
gleiche bekommt?«
    »Das ist richtig.«
    Ich ließ mir das noch einmal
durch den Kopf gehen. Wenn das stimmte, konnte sie durch die gefühlvolle
Zurschaustellung ihrer Zuneigung für die Nachlaßverwalter nichts gewinnen. Die
Erklärung für ihre große Liebe zu dem »Onkel« läge auf der Hand, wenn Shirley
Bruce davon profitiert hätte, weil sie ein nettes, süßes Mädchen war, und wenn
Hockleys Anteil zur Strafe, da er sich dem Spiele und der Verschwendung hingab,
verringert worden wäre.
    »So eine Wohnung kostet viel
Geld«, bemerkte ich.
    Er nickte zustimmend.
    »Hat sie außer den Zuwendungen
aus der Erbschaft noch andere Einnahmen?«
    Er war zu sehr mit seinen
Gedanken beschäftigt, um zu erwidern, daß mich das eigentlich nichts angehe.
»Natürlich. Ich weiß allerdings nicht, wieviel.«
    Da er gerade in der Stimmung
war, Fragen zu beantworten, ergriff ich die Gelegenheit beim Schopfe.
    »Wie hoch ist der Betrag, den
sie aus dem Nachlaß erhält?«
    »Es sind fünfhundert Dollars
monatlich.«
    »Und Robert Hockley bekommt das
gleiche?«
    Er nickte wieder.
    »Damit sollte er ganz gut
auskommen können.«
    »Eigentlich ja. Aber er ist ein
Spieler. Jetzt hat er sich diese Werkstatt eingerichtet und zu arbeiten
angefangen. Wahrscheinlich war er dazu gezwungen, denn er steckte bis über die
Ohren in Schulden. Vielleicht bessert er sich, wenn erst einmal das
Pflichtgefühl gegenüber der Arbeit bei ihm geweckt ist. Ich hoffe es
jedenfalls.«
    »Und woher hat Miss Bruce ihre
anderen Einnahmen? Arbeitet sie?«
    »O nein.«
    »Ist sie an einem Geschäft
beteiligt?«
    »Ja. Sie ist sehr gescheit,
schlau wie ein Fuchs. Ich möchte wissen, wie sie auf die Idee kommt, es könne
auch mir etwas passieren. Das gefällt mir gar nicht. — Glauben Sie ja nicht,
daß alles auf der Welt so ruhig und ordentlich zugeht, wie es Ihnen die Leute
weismachen wollen. Das Leben ist rücksichtslos. Wenn Sie versuchen wollen,
einen Blick hinter die Kulissen... Warum rede ich nur so viel. Jetzt werde ich
nichts mehr sagen.

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