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Ein silbernes Hufeisen

Ein silbernes Hufeisen

Titel: Ein silbernes Hufeisen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Barbera
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aber heute war er auf den ersten und vermutlich auch auf den zweiten Blick nicht zu unterscheiden von ihnen: er trug die leisen, glänzenden Schuhe, die man ihm poliert hatte, sein Jackett war eng und unbequem, nur auf seine Jacke hatte er bestanden, war sich dabei aber sehr wohl bewusst, dass er sie abgeben musste, bevor er Guinievaire traf, denn sie konnte sie ganz und gar nicht ausstehen. Tony seufzte und starrte auf den Boden, um sich den lächerlichen Strom von Menschen nicht länger ansehen zu müssen. Er hatte das Gefühl, seine Krawatte erwürge ihn, wie immer wenn er sich in vornehmen Kreisen befand. Eine ganze Ewigkeit hatte er vorhin gebraucht, um sie korrekt anzulegen, obwohl Guinievaire ihm zahllose Male gezeigt hatte, wie man sie band. Wie sie all diese winzigen, belanglosen Dinge beherrschte, die in ihrer Welt so wichtig waren! Dass sie wusste, wie man einem Mann die Krawatte band oder dass sie ihm seine Hemden kaufte und seine Frisur diktierte. Für Guinievaire war dieses Spiel ein Leichtes, und sie war dabei unbestreitbar effektiv: Tony hatte seinen Namen in den letzten Wochen sogar einige Male in der Zeitung lesen können. Manchmal wurde er auf der Straße nach dem werten Befinden gefragt und dann sollte er dem geschätzten Vater doch bitte schöne Grüße ausrichten, und all dies nur, weil sie ihn einmal vorgestellt hatte, ganz nebenbei mit einer kleinen Handbewegung. Sie hatte magische Fähigkeiten. Wenn die Menschen sie ansahen, dann ließen sie sie niemals aus den Augen, als sei sie das faszinierendste Geschöpf auf der Erde. Nun, wenn man es recht bedachte, dann war sie eben dies vermutlich auch. Tony spielte ihr Spiel, er versuchte es zumindest, aber so brillant wie sie würde er darin niemals sein, und wenn er ehrlich war, dann wollte er das auch nicht. Diese Welt, Guinievaires Welt, er konnte sie nicht so ernst nehmen, wie sie es stets von ihm verlangte. Sie war vergänglich und oberflächlich, und sobald Tony und Guinievaire verheiratet waren, hatte er vor, ihr wieder gänzlich den Rücken zu kehren. Er war fest davon überzeugt, dass seine Liebste davon ebenfalls profitieren würde.
    Denn was war ihr Leben bisher anderes als ein perfekt inszeniertes Schauspiel? Die Szenerie war vollkommen: Guinievaire Hastings war jeden Tag auf einer anderen Party von jungen Männern umringt, die sie bewunderten, sie lächelte, sie trank, dann lachte sie laut, warf das Haar zurück und sagte dumme Dinge. Man liebte sie dafür, vergötterte sie sogar und begehrte sie tausendfach. Aber die Menschen wussten nicht, dass sie nur spielte, wenn sie die Wimpern flatterte und an ihrer Zigarette zog. Tony hingegen kannte die echte Guinievaire, die er gefunden hatte, weil er, anders als der Rest von London, nach langer Zeit und vielen Mühen hinter ihre Fassade hatte sehen dürfen. Sie war unvorstellbar klug und gewitzt, hatte eine beeindruckende Kenntnis von Kunst und Musik, sie konnte sehr still sein und nachdenklich, und sie las in großen Mengen. Sie war nicht nur schön. Sie war mehr als die Eiskönigin, wie man sie in der Stadt unpassenderweise rief, nämlich weil Guinievaire bisher vielen Männern das Herz gebrochen hatte, die sich um sie bemüht hatten. Einzig Tony war ihr jemals zu nahe gekommen, der mehr als glücklich war über diese Tatsache, aber er musste sich mit ihr nicht brüsten.
    Inmitten eines runden, grünen Platzes stand das Theater, ein symmetrisches Gebäude aus hellem Sandstein, elegant, aber wenig überraschend. Unendlich viele Menschen strömten hinein, und Tony folgte ihnen recht widerwillig. Er liebte das Theater, aber dieses Haus besuchte er eigentlich niemals. Guinievaire hatte es ausgesucht. Oberflächlich gesehen hatten sie meist die gleichen Interessen, aber ihr Geschmack unterschied sich manchmal auf eine bemerkenswert widersprüchliche Art und Weise. Tony glaubte nicht daran, dass eine Bühne als charakterbildende Instanz gekleidet sein musste in weißen Marmor und Gold und Kristall. Es musste keine Pause geben, ginge es nach ihm, nur um unwichtiges Geschwätz auszutauschen und Alkohol zu konsumieren. Guinievaire jedoch liebte all dies, sie liebte den Pomp und mehr noch liebte sie den Champagner oder zumindest gab sie das vor.
    Von der geräumigen, aber zugigen Eingangshalle aus führten zwei breite, geschwungene Treppen hinauf in die Ränge, zu den Logen und zu dem großen Saal. Tony erklomm die linke, nachdem er seine Jacke an der Garderobe abgegeben hatte, seine Hand fest um das

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