Ein stuermischer Retter
stellte entsetzt fest, dass sie Stevens damit gemeint hatte. Sie bezog sich auf seine Kriegsverletzungen.
Nun ließ sich die Mutter laut und verächtlich vernehmen: „Sieh nicht hin, meine Liebe. So ein Mensch hat in einem Speisesaal nichts zu suchen. Hätte sein Herr nur ein bisschen Feingefühl, würde er einen dermaßen entstellten Menschen nicht in die Öffentlichkeit gehen lassen, um die Gefühle von empfindsamen Damen nicht zu verletzen."
Faith wurde klar, dass sie Stevens benutzte, um sich an Nicholas zu rächen, und plötzlich flammte ihr Zorn auf. Sie stand abrupt auf und marschierte zu den beiden Frauen hinüber. „Wie können Sie es wagen!", schimpfte sie wütend. „Wie können Sie es wagen, so abscheulich und gefühllos über einen Mann zu reden, der verletzt wurde, als er für König und Vaterland kämpfte - also auch für Sie! Sie wollen Damen sein? Sie sollten sich schämen für Ihre Gefühllosigkeit! Sie sollten einen Mann wie Stevens ehren, jawohl, ob er nun Bediensteter ist oder nicht! Sie sollten jeden Mann ehren, der sein Leben aufs Spiel gesetzt hat - für Ihr Wohlergehen und zu Ihrem Schutz!"
Die beiden Frauen starrten sie wie vom Donner gerührt an.
Faith funkelte sie aufgebracht an, in ihren Augen brannten Tränen der Wut. „Und wenn Sie noch einmal - ein einziges Mal! - in meiner Gegenwart eine abfällige Bemerkung über Stevens machen, dann ... dann werde ich Sie beide ohrfeigen, und zwar kräftig!" Sie wünschte, sie hätte ihnen etwas Schlimmeres androhen können, aber sie war so erregt, dass sie kaum vernünftig denken konnte.
Dass jemand die Narben des lieben, gutmütigen Stevens zum Vorwand nehmen konnte, nur um sich an Nicholas und ihr zu rächen, weil sie sich geweigert hatten, ein Zimmer mit ihnen zu teilen - das versetzte sie in ohnmächtigen Zorn.
Im Saal herrschte eine angespannte Stille. Faith bereitete sich innerlich auf weitere Gehässigkeiten von Lady Brinckat und ihrer Tochter vor, doch die wirkten so schockiert über Faiths wenig damenhaften Ausbruch, dass sie keinen Ton sagten.
Lady Brinckats Gesicht war kreidebleich, das ihrer Tochter hochrot.
Jemand fing an zu klatschen. Alle drehten sich zu dem Tisch in der Ecke um. Dort stand Nicholas Blacklock und applaudierte. Faith starrte ihn fassungslos an.
Die Tür zur Küche flog auf und eine große, stattliche Frau mit weißer Schürze und Kochhaube erschien. Madame, die Köchin. Sie stemmte die Arme in die Seiten und fragte auf Französisch: „Was geht hier vor?" Ihr Bruder, der Wirt, übersetzte ihr rasch, was die englischen Damen über Stevens gesagt hatten.
Madame schien noch größer und breiter zu werden, als sie zielstrebig auf Lady Brinckats Tisch zumarschierte. Kurz bevor sie ihn erreicht hatte, beendete ihr Bruder seine Übersetzung dessen, was Faith auf die Aussagen der beiden Damen erwidert hatte. Plötzlich blieb die Köchin unvermittelt stehen. Sie ließ den Wirt Faiths Worte noch einmal wiederholen, und als er das zu ihrer Zufriedenheit getan hatte, umarmte sie Faith und küsste sie herzhaft auf beide Wangen. Plötzlich fingen alle im Speisesaal an, in die Hände zu klatschen. Faith errötete vor Verlegenheit, konnte Madames Umarmung aber nicht entrinnen.
Endlich gab diese Faith frei. Sie wirbelte zu den englischen Damen herum und sah sie zornig an. „Sie! Sie alte Hexe - und die junge auch! - hinaus mit Ihnen!" Sie zeigte zur Tür. „Viehzeug wie Sie füttere ich in meinem Speisesaal nicht! Hinaus, ehe ich mit Fußtritten nachhelfe!"
Schockiert über eine solch vulgäre Ausdrucksweise, ganz zu schweigen von der damit verbundenen offenen Drohung einer riesigen, verschwitzten und wütenden Französin, standen Lady Brinckat und ihre Tochter eilig auf und verließen fluchtartig den Saal.
„Auf Nimmerwiedersehen", rief die Köchin ihnen nach. „Und jetzt, ma petite tigresse, wird mein Bruder Ihnen Champagner bringen." Sie sah zu Nicholas hinüber, der immer noch stand und die Szene mit belustigter Miene verfolgte. „Stevens' Freunde sind uns hier immer willkommen." Stevens flüsterte ihr etwas ins Ohr. Sie zuckte zusammen, schließlich strahlte sie über das ganze runde Gesicht. „Das ist ein Brautpaar? Warum haben Sie das nicht gleich gesagt?" Sie wandte sich auf Französisch an die anderen Gäste im Saal. „Ma belle tigresse und dieser gut aussehende Mann sind erst heute Morgen von Vater Anselm getraut worden! Eh bien, eine Hochzeit, meine Freunde! Das muss gefeiert werden!"
Und so begann
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