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Ein süßer Traum (German Edition)

Ein süßer Traum (German Edition)

Titel: Ein süßer Traum (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Lessing
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(Das versetzte ihr wieder einen kleinen kalten Stich: Hast du den Verstand verloren? Oh ja, und sie genoss jeden Moment.)
    Eine Baumkrone schimmerte vor dem Fenster. Sie trug noch ihr Sommerlaub, war aber schon ein bisschen zerzaust: Licht aus der übernächsten Etage oben, aus den Zimmern der alten Frau, hatte sie aus dem Dunkel gerissen und in lebhafte Bewegung versetzt, man ahnte das Grün: Doch die Farbe war nur angedeutet. Also war Julia zu Hause. Dass sie ihre Schwiegermutter – ihre Ex-Schwiegermutter – wieder in ihre Gedanken einließ, machte sie wie gewohnt beklommen, denn eine lastende Missbilligung sickerte durch das Haus bis hinunter zu ihr, aber es gab noch etwas anderes, das ihr erst neulich bewusst geworden war. Julia war im Krankenhaus gewesen, hätte sterben können, und Frances hatte endlich zur Kenntnis nehmen müssen, wie sehr sie auf sie angewiesen war. Wenn Julia nicht wäre – was würde sie tun, was würden sie alle tun?
    Inzwischen nannte jeder sie
die alte Frau
, sie bis vor Kurzem auch. Nur Andrew nicht. Und ihr war aufgefallen, dass Colin sie jetzt Julia nannte. In den drei Zimmern über den ihren und unter der Wohnung von Julia wohnten Andrew, der ältere Sohn, und Colin, der jüngere, ihre und Johnny Lennox’ Söhne.
    Sie hatte drei Zimmer, ein Schlafzimmer und ein Arbeitszimmer und noch eins, das immer für jemanden gebraucht wurde, der über Nacht blieb, und sie hatte Rose Trimble sagen hören: »Wozu braucht sie drei Zimmer, sie ist wirklich selbstsüchtig.«
    Niemand sagte: Warum braucht Julia vier Zimmer? Das Haus gehörte ihr. In diesem lauten, überfüllten Haus, in dem Leute kamen und gingen, auf dem Fußboden schliefen, Freunde mitbrachten, deren Namen sie oft nicht kannte, gab es oben eine fremde Zone, die ganz aus Ordnung bestand, in der die Luft blassmauve zu sein schien vom Veilchenduft, mit Schränken, in denen jahrzehntealte Hüte mit Schleiern und Strass und Blumen aufbewahrt wurden und Kostüme in Schnitten und aus Stoffen, wie man sie nirgendwo mehr kaufen konnte. Julia Lennox schritt hoch aufgerichtet die Treppe hinunter und die Straßen entlang, trug Handschuhe – es gab ganze Schubladen davon – und makellose Schuhe, Hüte, Mäntel in Violett oder Grau oder Mauve, und eine Aura aus Blütenessenzen umgab sie. »Wo
nimmt
sie bloß diese Kleider her?«, hatte Rose wissen wollen, ehe sie jene altmodische Wahrheit begriff: dass man Kleider auch jahrelang aufheben konnte, anstatt sie eine Woche nach dem Kauf abzulegen.
    Unterhalb von Frances’ Bereich im Haus gab es ein Wohnzimmer, das eine ganze Etage einnahm, und dort fanden die intensiven, vertraulichen Gespräche unter Teenagern statt, zu zweit, normalerweise auf einem riesigen roten Sofa; und manchmal, wenn sie vorsichtig die Tür öffnete, sah sie dort bis zu einem halben Dutzend »Kinder«, zusammengekuschelt wie ein Wurf junger Hunde.
    Das Zimmer wurde nicht oft genug benutzt, um zu rechtfertigen, dass es mitten im Haus so viel Platz einnahm. Das häusliche Leben spielte sich in der Küche ab. Nur wenn es eine Party gab, erfüllte dieses Zimmer seinen Zweck, aber Partys waren selten, denn die »Kinder« gingen in die Disco und zu Popkonzerten; obwohl es ihnen offenbar schwer fiel, sich von der Küche und dem übergroßen Tisch loszureißen, den Julia früher – mit versenkter Ausziehplatte – bei Dinner-Partys benutzt hatte. Wenn sie »bewirtete«, wie sie es ausdrückte.
    Jetzt war der Tisch immer ganz ausgezogen, und manchmal standen sechzehn oder zwanzig Stühle und Hocker darum herum.
    Die Souterrainwohnung war weitläufig, und oft wusste Frances nicht, wer da unten kampierte. Überall lagen Schlafsäcke und Steppdecken herum wie Trümmer nach einem Sturm. Wenn sie hinunterging, kam sie sich vor wie ein Spion. Die jungen Leute hielten alles halbwegs sauber und räumten auf, auch wenn es dazu einer Aufforderung bedurfte – ab und zu bekamen sie »Aufräum«-Anfälle, nach denen man kaum einen Unterschied sah –, und sie mischte sich nicht ein. Julia hatte solche Hemmungen nicht. Gelegentlich ging sie die kleine Treppe hinunter und musterte die Szenerie der Schlafenden, die manchmal bis in den Nachmittag noch in den Betten lagen, die schmutzigen Tassen auf dem Boden, die Schallplattenstapel, die Radios, Kleider, die zerknüllt herumlagen, und dann drehte sie sich langsam um sich selbst, diese strenge Gestalt, trotz der kleinen Schleier und der Handschuhe, an deren Saum vielleicht eine Rose

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